Blumenbottiche im PS.1, Park-Tag auf Parkplätzen – überall begegnet man in New York gerade der Flucht ins Ländliche. Auch in der Gastronomie. Von Manhattan bis Brooklyn schießen Restaurants aus dem Boden, die sich ländlich geben, und zwar vom Essen bis hin zum Design. Alles nur ein neuer Trend, nachdem Restaurants, die sich Pariser Rive-gauche Aussehen geben, langsam wieder eingehen? Pascal Fischer hat versucht, den neuen Trend zu verstehen.

MUSIK: Garth Brooks: Friends in low places…

Whiskey aus dem Stiefel saufen, sein Rind eigenhändig erschießen, es mit bloßen Händen in Steaks zerlegen und dabei lässig Kautabak auf den staubigen Boden spucken?!

Nein. Alles wieder mal heißer über dem Lagerfeuer gekocht, als gegessen. Zum Beispiel im General Greene in Brooklyn, Kundschaft: vom Studenten im Sweatshirt bis zum 50jährigen Anzugträger. Die Attraktion: Barhocker, auf die Traktorsitze montiert sind, also: Kleine Schalen aus rostigem Metall oder aus Plastik. Gewöhnungsbedürftig, aber durchaus komfortabel. Könnte glatt als „Bauhaus“-Design durchgehen.

Diskussionssache, meint die Serviererin Aja. Der kleine Huckel in der Mitte macht Frauen ein wenig kirre…die finden das wohl anstrengend, so ohne Rückenlehne, also hat sie ihnen gesagt: Trinkt, bis ihr nichts mehr spürt.

John, ein leicht korpulenter Mittdreißiger, ist dagegen erfreut, dass die Proportionen seines Hinterns noch auf den Stuhl passen. Für Amerikaner ein nicht zu unterschätzender Wohlfühl- und Beruhigungsfaktor. Die Einrichtung sonst: einfache Holzstühle, Holztische. Hinter der Bar erspäht man eiserne Mistgabeln, und zwischen den Einmachgläsern steht ein Spielzeugtraktor.

Die Bar ist aus dem Holz für Fleischerhackklötze, erzählt Nick Morgenstern, der Restaurantbesitzer. Und das Holz für die Bänke kommt  aus echten Scheunen im Bundesstaat Maine. Unfertig grau angestrichen, damit es verwittert aussieht…

Die Kratzer auf dem Boden: Absicht. Beim Essen regiert die amerikanische Küche: Steaks und Fleischklöpse wie von Muttern sollen die Kunden an ihre Kindheit auf dem Lande erinnern. Die angesagten Restaurants abklappern – solche Szene-Marathons finden immer mehr New Yorker zu anstrengend.

Nicht hypercool, aalglatt oder hip will er sein, sondern seinen Gästen einfach nur eine entspannte Atmosphäre bieten, meint Nick. Das ist selten in New York. Er selbst stammt aus Ohio, seine Familie besitze 70 Hektar Land, sein Vater ist selbst Traktor gefahren.

Ein bisschen Bauernhof-Glaubwürdigkeit muss schon sein. Zu oft verkauft  der Vietnamese original italienische Pizza, der Russe echte mexikanische Spezialitäten. Und nicht nur das haben die New Yorker satt. Viele Kunden, so glaubt man im General Greene, sind von Lama-Dumplings, Killerwal-Sushi und sonstigem erklärungsbedürftigem Spezialessen erschöpft. Auch Roy gibt das zu, wenn auch ironisch.

Er würde am liebsten Whiskey in einem Maisfeld trinken, grinst er, aber da fehlt ihm das soziale Umfeld!

Roy und seine Freunde kommen aus Kalifornien und fühlen sich wegen der biologisch angebauten Zutaten heimisch. Der Verdacht: Am Ende siegt der Öko-Hippie über den Farmer in jeder New Yorker Brust. Biologischer Anbau schlägt Bauernhof.

Wie  im Forge, im Manhattaner Bezirk Tribeca. Auch hier: Wandverkleidung aus jahrzehntealtem Sägemühlenholz, die Bartheke fleischerklotzgleich..

„I like the design fine. Rustic.“ – Rustikal finden die meisten Kunden das…

Und niemand muss Angst haben, die falsche Gabel in der Hand zu halten, meint Serviererin Miriam.

…doch wenn sie das Menu präsentiert, glaubt man sich in der Oysterbar: Heilbutt, fast wie Sushi, mit Croutons, Rosinen und Knoblauch…auch hier das Codewort: biologischer Anbau.

Fazit: Die New Yorker wollen gerne mal wieder auf dem Traktor sitzen, wie damals in der Kindheit. Aber mehr als ein Barhocker oder ein wenig Sägemühlenholz darf es nicht sein. Sonst erinnert man sich zu sehr an die schießwütigen Rednecks und paranoiden Prediger, vor denen man doch in die liberale Hochburg New York geflohen ist. Und mal ehrlich: Welcher echte New Yorker würde sich in einer Cowboyspelunke sehen lassen, gerade im Wahljahr?!