In „Wie wir denken, wie wir fühlen“ will der Hirnforscher Antonio Damasio die Grundsätze seiner Bewusstseinstheorie populärwissenschaftlich und bündig darlegen. Das muss notgedrungen eine sehr grobe Skizze bleiben, ist nichtsdestotrotz ein Bollwerk gegen raunende Seelen-Metaphysik und Naturwissenschafts-Feindlichkeit.

Seit mehreren Jahrzehnten gilt Antonio Damasio als einer der bekanntesten Hirnforscher weltweit: Seine Karriere begann in Portugal, bis Damasio und seine Frau Hanna schließlich in den USA forschten. Das Mediziner-Paar war an Unis in Iowa und Kalifornien tätig und baute ein unvergleichliches Wissen über die Anatomie des Gehirns auf. Daraus entstanden Bücher wie „Descartes Irrtum“, „Der Spinoza-Effekt“ oder „Ich fühle, also bin ich“, die internationale Bestseller wurden. Stets hat Damasio die Bedeutung des Körpers für das Bewusstsein betont, so auch im neuesten Buch, das er als das Substrat seines Lebenswerkes bezeichnet.

Der Bewusstseins-Diskurs hat schon etwas Skurriles: Hier erhalten gerne Theoretiker Beifall, die das Phänomen des Bewusstseins als unerklärbares „hartes Problem“ abtun. Unlösbar werde ewig bleiben, warum Bewusstseinsinhalte subjektiv gefärbt sind – warum mir Schmerz als mein Schmerz in intensiver Qualität erscheine.

Überraschung: Vielleicht, weil es sinnvoll ist, dass ein Organismus Reize als ihm zugehörig begreift, um in einer Umwelt angemessen zu reagieren? In einer Komplexität, die über bloße Reflexe hinausgeht, und die Überlebenschancen massiv erhöht? Zu diesem biologischen Perspektivwechsel lädt Antonio Damasio in „Wie wir denken, wie wir fühlen“ ein.

Notgedrungen ist dieses Brevier eine populärwissenschaftliche Skizze – mit Kurzkapiteln von nur wenigen Seiten Länge. Als Einstieg ins Thema gut geeignet, aber wer sich wirklich einlesen möchte, sollte eher auf den Damasio-Titel „Selbst ist der Mensch“ zurückgreifen.

Entgegen der Ankündigung ist nämlich so viel Neues und Bahnbrechendes nicht zu finden; über die Homöosthase als ständige Regulierung des Organismus oder die Gefühle als wichtige Lenker im Denken hat man längst, auch bei Damasio, so Einiges gelesen. Wie gewohnt glänzt der Autor mit geradezu poetischen Formulierungen, etwa, dass wir „Marionetten der Schmerzen wie des Vergnügens“ seien.

Sukzessive stellt Damasio die Fähigkeiten vor , die das Bewusstsein zusammensetzen, vom Spüren, Beachten, Fühlen, Wachsein inklusive vieler mentaler Prozesse bis hin zum Bewusstsein. Im Stile einer Einführung bleibt das notwendigerweise nah an der Alltagssprachlichkeit mit recht notdürftig definierten Begriffen.

Das alles ist manchmal leider so heruntergebrochen, dass es unfreiwillig absurd klingt, Zitat: „Spezifische Moleküle wirken auf spezifische Rezeptoren und verursachen spezifische Vorgänge.“ Dann wieder wird es hochspezifisch gen Ende, wenn kleinteilig Hirnareale mit Fachwörtern benannt werden.

Doch insgesamt schreibt hier einer, der wohltuend darum weiß, dass er eine Forschungs-Richtung vorgibt, ohne größenwahnsinnig zu behaupten, jeden biologischen Mechanismus, der hinter dem Bewusstsein steht, geklärt zu haben.

Am interessantesten ist wohl, dass sich zwischen den Zeilen andeutet, warum eine konsequent naturwissenschaftliche Sicht selbst reflektiertere Zeitgenossen abstößt:

So etwas verbannt auch den letzten Rest Metaphysik und das Seelen-Geraune aus dem Bewusstseinsdiskurs. Gerade das Gefühl, diese subjektivste Färbung aller Bewusstseinsinhalte, gilt manchem Bewusstseins-Theoretiker als Bollwerk gegen die kalte, objektive, naturwissenschaftliche Perspektive von außen.

Wenn also Gefühle dem schnöden Überleben des Organismus dienen, dann ist das für die letzten verbliebenen Metaphysiker, die sich heute als Skeptiker verkleiden, eine besonders kränkende Ohrfeige. Denn sie bekommen vorgeführt, dass sie den Menschen nicht als Wesen in einer Umwelt, sondern offensichtlich als komplett interesselos herumsitzendes Hirn konzipiert haben. Was sie lustigerweise mit jenen KI-Forschern der älteren Schule eint, die glauben, Bewusstsein bald auf Festplatten kopieren zu können. Bewusstsein, lernt man dagegen bei Damasio, ist notwendig in einem Körper mit Sinnen situiert.

Und wenn Damasio zufolge alle Säugetiere, Vögel und Fische geistbegabt, bewusst, fühlend sind, wenn soziale Insekten eine gewisse Intelligenz haben und Elefanten Trauerrituale kennen, dann ist das für manchen wohl eine narzisstische Kränkung des Menschengeschlechts.

Das zentrale Problem des Bewusstseinsdiskurses ist dann eher, dass naturwissenschaftliche Lösungen für die meisten Menschen immer noch irgendwie mickrig erscheinen. Auch Damasio kann dieses wirklich harte Problem nicht lösen und nur mehrfach wiederholen, das Bewusstseinsproblem sei eigentlich aufgebläht. Aber sein neuestes Bändchen ist ein kleiner, aufrichtiger Beitrag zur Aufklärung, geschrieben in einem heiteren, erkenntniswilligen, einladenden Ton, der vergessen lässt, wie tief die Gräben in der Debatte zuweilen sind.

Antonio Damasio: Wir wir denken, wie wir fühlen. Die Ursprünge unseres Bewusstseins. Aus dem Englischen übersetzt von Sebastian Vogel. Erschienen im Hanser Verlag. 192 Seiten kosten 22 Euro.

Für begrenzte Zeit nachhörbar auf den Seiten der SWR2 Lesenswert Kritik.