Insbesondere Schriftsteller sehnen eine Präsidentschaft von Barack Obama herbei. Dann, so eine weit verbreitete Hoffnung, sei Schluss mit dem antiintellektuellen Gehabe der Bush-Regierung. Mögen die USA auch oft als intellektuellenfeindliches Land daherkommen – die Tradition dieses Landes ist eine ganz andere. Pascal Fischer bietet einen kurzen Abriss darüber, wie sich Schriftsteller in der US-amerikanischen Geschichte eingemischt haben.

Schaut man in die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, dann erscheint es fast zwingend, dass sich Schriftsteller in das politische Leben einmischen mussten. Autoren haben sich nicht nur öffentlich engagiert, sie waren gar Staatengründer, erklärt Sam Tanenhaus, Redakteur beim New York Times Book Review.

“Es unsere Tradition, sich öffentlich einzubringen. Einige der Gründerväter unseres Landes waren Literaten. Benjamin Franklin oder Thomas Jefferson waren zugleich Literaten und führende Bürger. Es herrschte die Idee vom aufgeklärten Staatsbürger vor. Man wollte eine Republik nach den Ideen von Locke oder Montesquieu gründen. Es war also eine auf Ideen begründete Republik, eine Gelehrtenrepublik. Und Literaten waren daran beteiligt.”

Geist und Macht gingen in der Geschichte des Landes allerdings bald sehr getrennte Wege, vor allem, wenn Schrifsteller nicht mit der Politik einverstanden waren. Henry David Thoreau etwa wollte 1846 keine Kopfsteuer zahlen, weil er den Mexikanisch-Amerikanischen Krieg verabscheute. Er musste eine Nacht im Gefängnis verbringen und  schrieb daraufhin sein bekanntes Pamphlet “Civil Disobediance”, “Über die Pflicht zum Ungehorsam gegenüber dem Staat”, die für Thoreau dann bestand, wenn ein Staat unmoralisch handele. Etwa bei der anhaltenden Sklaverei, gegen die sich Thoreau mit seinen Schriften wandte. Sam Tanenhaus:

“Die große Frage, die die Nation im 19. Jahrhundert spaltete, war natürlich die Sklaverei. Ralph Waldo Emerson war einer der größten Schriftsteller und Philosophen seiner Zeit. Er sprach sich in der Öffentlichkeit für den Sklavenführer John Brown aus.”

…und das, obwohl er dafür in seiner Heimatstadt Boston in Versammlungen niedergeschrien wurde oder gleich ausgeladen. Der Dichter Walt Whitman wiederum verkörperte das Ideal des pragmatischen Amerikaners:

“Während des Bürgerkriegs war Whitman Krankenpfleger für verwundete Soldaten der Unionsstaaten. Die Idee war, dass die amerikanische Seele getestet wurde. Das Wesen der Demokratie musste neudefiniert werden. Und der Dichter mochte die prophetischste Vision davon haben, wie die Demokratie aussehen könnte…”

Als Autor von patriotischen Gedichten und als Bürger, eben mit ganzer Kraft wollte sich Whitman einsetzen, er sah den Dichter als Sprachrohr aller Mitbürger. Und Mark Twain, der in seinen Romanen mehr als bissig über die Sklaverei schrieb, mischte sich auch ein, wenn es die Kriegslust der USA zu verurteilen gab. So prangerte Twain den Amerikanisch-Philippinischen Krieg von 1899-1902 in mehreren Zeitungsartikeln an. Die Linie lässt sich mühelos durch das 20. Jahrhundert weiterverfolgen, etwa bei Ernest Hemingway, der sich als Journalist im Spanischen Bürgerkrieg auf die Seite der Republik schlug, oder bei John Dos Passos, der den weltweiten Kommunismus kritisierte. Auch Ereignisse innerhalb der USA riefen empörte Schriftsteller auf den Plan, zum Beispiel das Todesurteil gegen die US-Anarchisten Sacco und Vanzetti Ende der Zwanziger Jahre. Sam Tanenhaus:

“Dieser Prozess oder auch das Todesurteil gegen das Ehepaar Rosenberg, das den Sowjets Informationen zur Atombombe lieferte, das zog Schrifsteller an, denn es waren kulturelle und politische Ereignisse. Für US-Autoren sind das oft Themen! Wir haben auch eine starke nichtfiktionale literarische Tradition in den USA, zum Beispiel Truman Capotes ‚Kaltblütig‘, eine Analyse des Strafsystems. Und einige von Norman Mailers besten Texten sind Berichte über die großen Parteiversammlungen.”

Berühmt wurde Mailer allerdings auch, weil er an einem Marsch auf das Pentagon teilnahm, aus Protest gegen den Vietnamkrieg.

Intellektuelles Engagemtn hat eine lange Tradition der USA. Konservative Politiker allerdings möchten Schriftsteller und Intellektuelle oft als abgehobene Querulanten darstellen. John McCain und Sarah Palin haben immer wieder betont, Intellektuelle seien nicht das wahre Amerika, seufzt der Englischprofessor Cyrus Patell von der New York University.

“Das wäre die Ironie dabei, wenn wir wirklich eine intellektuellenfeindliche Nation geworden sind, wenn das Volk Intellektuelle mit kosmopolitischen Eliten assoziiert. Die Autoren der Föderalistenartikel waren Intellektuelle. Die sähen solche Äußerungen mit Grausen. Das ist schon Situationskomik: Eine intellektuelle Staatengründung führt zu einem antiintellektuellen Land. Vielleicht ist das der Preis, den man für die Ausdehnung der Demokratie in der Gesellschaft zahlen muss?! “ 

(für die SWR2 Wahlnacht vom 4. auf den 5.11.2008)