Es gab einmal eine Zeit, da kandidierte Norman Mailer für das Amt des New Yorker Bürgermeisters und Gore Vidal wollte Senator werden. Doch in den letzten Jahren haben sich US-Autoren eher aus der Politik ferngehalten. Höchstens kämpften sie für bestimmte Ideen, aber nicht für konkrete Kandidaten. Das war dieses Jahr anders. So mancher ging gar in seiner Nachbarschaft von Tür zu Tür. Eigentlich hat politisches Engagement eine lange Tradition in einer Nation, die von Intellektuellen gegründet wurde. Andererseits regiert mancherorts längst der alltägliche Intellektuellenhass. Auf das Engagement der US-Autoren blickt Pascal Fischer.

„John McCain, everybody agrees, has a ‚great‘ story…“

Mitte September auf dem Brooklyn Book Festival. Hier spricht Joan Didion auf einem eher linksliberalen Panel. Scharfzüngig, geradezu sarkastisch mokiert sie sich über den Wahlkampf, in dem es um das Leben der Kandidaten geht, nicht um die Bankenkrise. Sie rechnet mit der gegenwärtigen Politik ab, in der allen Ernstes noch über obskuren Kreationismus im Schulunterricht diskutiert wird.

Die Wirtschaftskrise, die Kriege, das verlorene Ansehen der USA in der Welt – das motiviert  die meist linksliberalen Schriftsteller dieses Jahr zu mehr Engagement. Zumal viele denken, dass schon Bushs Wahl im Jahre 2000 widerrechtlich war, erklärt der Autor Stewart O’Nan:

„Schon in meiner Kindheit hat Dick Cheney unter Richard Nixon gearbeitet. Der Typ hat mir das Leben 40 Jahre lang versaut. Es ist Zeit, dass der abtritt. Von der Mitte bis links: Die Leute haben diese rechte Regierung satt. Also versuchen sie alles, damit die Demokraten mit einem so großen Vorsprung gewinnen, dass ihnen der Sieg nicht genommen werden kann. Ich habe auf Benefizveranstaltungen Bücher signiert und versteigert, um Geld für Obama zu sammeln. Irgendetwas muss man machen.“

Am Ende der antiintellektuellen Bushzeit ist das Engagement vielgestaltig. A. M. Homes etwa leitete eine öffentliche Diskussion, in New York gab es eine ganze Lesungsreihe unter dem Titel „Authors for Obama“, unter anderem mit der Pulitzerpreisträgerin Jhumpa Lahiri, aber auch jüngeren Autoren wie Shalom Auslander. Früh im Rennen sprach sich die Bürgerrechtlerin und Schriftstellerin Maya Angelou für Hillary Clinton aus, und die Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison gab ihre Unterstützung für Obama bekannt. Das Ausmaß der Bekundungen  überraschte Cyrus Patell, Englischprofessor an der New York University.

“Das war sehr ungewöhnlich dieses Jahr. Sonst sind US-Autoren zögerlich mit öffentlicher Unterstützung für bestimmte Kandidaten. Eher schreiben sie in ihren Büchern allgemein über politische Fragen. Beide Autorinnen glauben wohl, dass wir an einem historischen Scheideweg stehen. Und wahrscheinlich sind Autoren, die sich als Teil einer Minderheit sehen, engagierter als der Mainstream.”

Zwar haben Philip Roth, Richard Ford und Jeffrey Eugenides Präsident Bush erst kürzlich scharf kritisiert. Aber mit einer konkreten Unterstützung für die Kandidaten hielten sich gerade die großen Autoren eher zurück, beobachtet Sam Tanenhaus vom New York Times Book Review:

“E. L. Doctorow ist bekanntermaßen ein Liberaler, aber ich weiß nicht, ob er irgendetwas kommentiert hat?! John Updike ist vielleicht unser größter Schrifsteller. Als ich ihn vor einigen Tagen interviewte, hat er auch die Wahl kommentiert, aber nur, weil ich ihn fragte. Von sich aus  würde er das nicht tun.”

„I am so much for Obama, it would be hard for me to cook up a character who was for McCain!“

Er sei so sehr für Obama, dass er sogar Schwierigkeiten hätte, eine Figur zu erfinden, die McCain unterstützen würde, sagte Updike da vorsichtig. Die Demokraten sorgten für mehr Ausgleich für die Verlierer im Land, und Obama habe Mitgefühl und Interesse. Sam Tanenhaus denkt, dass sich die ganz großen Autoren zurückhalten, eben weil sie große Autoren sind.

“Wenn sie einfach über die Wahl reden, klingen sie wie jedermann. Und als Schriftsteller wollen sie nicht als Leute erscheinen, die polemisch oder engstirnig sind. Autoren wollen Statements abgeben, die ihr Ansehen erhöhen. Wer sich auf die eine oder andere Seite schlägt, verwirkt das.”

Bestseller-Autoren haben dieses Problem vielleicht nicht. John Grisham etwa meinte in einem Interview, John McCain sei ein korrupter Öl-Lobbyist, Geld mache aus einem Arschloch ein richtig fieses Arschloch, so der Wortlaut. Ebenso verwundert durfte man kürzlich auch lesen, wie Don Delillo von den Parteitagen der Demokraten und Republikaner bloggte. Professor Cyrus Patell:

“Aber das war eine Satire von der Zeitschrift ‚The Onion‘. Die Botschaft war wohl: Schriftsteller sollen Romane schreiben, Blogger sollen bloggen!”

A.M. Homes findet das kaum lustig, schließlich macht sie die oberflächliche Medienlandschaft für das niedrige Niveau der öffentlichen Diskussion verantwortlich.

“Wenn wir Schriftsteller hier in den USA interviewt werden, stellt man uns doch keine politischen Fragen! In Europa werde ich ständig gefragt: Was ist in Eurem Land bloß los? Das ist ein Problem in den USA, es ist alles so oberflächlich: Man fragt eher nach der Mode, die Du trägst. Man erwartet – anders als in Europa – vom Künstler keinen Kommentar.”

Bitter sei das, schließlich gebe es eine solche Tradition schon, bemerkt A.M. Homes. Eine Tradition, an die vielleicht mit Obama als einem Denker an der Spitze wieder angeknüpft werden könnte, glaubt Professor Cyrus Patell.

“Im Wahlkampf wollten die Kandidaten populär rüberkommen und deshalb fast schon keine Unterstützung von ja fast schon keine Unterstützung von Intellektuellen, um nicht zu elitär rüberzukommen. Ich glaube, für die Autoren wird es wieder sicherer und attraktiver, sich zu äußern, wenn Obama Präsident wird!”

(für die SWR2-Wahlnacht vom 4. auf den 5.11.2008)