Die Auftritte für seine Tour „Akopalüze nau!!!“ hat Helge Schneider hinter sich, 4 Monate Tourpause stehen an. Doch immer noch reist er durch die Republik – auf Lesereise. Frisch erschienen ist nämlich Helge Schneiders Buch mit Titel „Eine Liebe im Sechsachteltakt“, ein Krimi, allerdings ohne Kommissar Schneider. Pascal Fischer hat „den Helge“ in Köln in seiner Garderobe getroffen, und mit ihm über seine Tournee, die Medien, das Sein, Fundamentalismus und sein neues Buch gesprochen.

MUSIK Akopalüze nau: 1 Blues, unter:

Helge Schneider ist eine Improvisation in Person. Den Journalisten vor dem Interview begrüßt er allerdings mit einem ‚Guten Abend’ und: ‚Joa, das war’s dann, ne?’

Show-Ausschnitt: „Dankeschön – Auf Wiedersehn…“

Irgendwie zieht sie immer noch, diese Rolle des eintönigen Ruhrpott-Eremiten, dessen forsche Höflichkeit plötzlich wie ein Sturmtrupp – voranstolpert.

„Einfach ist gut. Joa.“

Kurz vor einem Fernsehinterview. Vor der Garderobe fällt er fast nicht auf: T-Shirt, Jeans, keinerlei knallbunte Brille, Perücke oder gar Hutmode. Es ist wie es immer ist mit Comedians, Künstlern, Kabarettisten: Wo das Publikum fehlt, schockiert auch Helge sein Gegenüber plötzlich mit Philosophie, vielleicht die radikalste Art, Erwartungen im Showgeschäft zu unterlaufen, seine Spezialität:

„Das menschliche Leben ist eine Ungereimtheit. Wir Lebewesen, Tiere, Pflanzen, Menschen…Der Mensch kann sich erkennen und darüber nachdenken, wo man anfängt und aufhört. Wir müssen damit leben, dass wir nie wissen, wo wir anfangen und aufhören.“

Vor allem, wenn wir mittlerweile vom Fernseher erzogen werden. Das ergreift den vierfachen Vater sichtlich. Gefahr droht aus der Mattscheibe. Die Apokalypse spiele sich überall, aber vor allem im TV ab – darauf wollte er mit dem Titel seiner vergangenen Show – Akopalüze nau – aufmerksam machen.

„Was wir im Fernsehen sehen, meint man, es sei Realität. Ist es ja auch irgendwie. Wir sind als Gesellschaft vom TV geformt. Unsere Gesellschaft nicht von innen, sondern von außen geformt, von einem Kasten, den wir uns selber ins Zimmer geholt haben.“

Und die Inhalte dieses Kastens regen Helge auf. Er, der sich als Weder-Christ-noch-Moslem bezeichnet, als Mensch, der einfach an etwas glaubt, will eigentlich nichts zum Kampf der Kulturen, zu Religion sagen – und kann sich dann nicht mehr halten!

„Das sind vom Menschen aufoktroyierte erfundene Kulturen, wie das Fernsehen. Das ist dasselbe. Das wurde erfunden, um die Menschen in Schach zu halten. Das hat natürlich einen Grund gehabt. Das gerät dann außer Form. Der Mensch ist ja ein Untier, viel schlimmer als Säbelzahntiger. Daher gibt’s Gebote: Du sollst nicht töten, das  ist ja toll. Aber da hält sich keiner dran. Die am größten tönen, sie wären Christen, die töten! Die am größten tönen, sie seien Moslems, die töten auch!

Wenn meine Omma damals in die Kirche ging, war das noch was anderes. Heute, die Evangelisten in Amerika, das ist ja nicht auszuhalten, mit welcher Inbrunst die sich selbst und die Leute unterdrücken wollen. Nenee, da guck ich mir lieber ein Bild von Picasso an, das ist schön.“

MUSIK Akopalüze nau: 1 Blues, unter:

Sämtliche Ungereimtheiten des Daseins führt Helge auch in seinem neuen Buch vor, Schicksalsroman und Krimi zugleich, und voller schräger Metaphern:

Buchzitat: „Schon schwärmte die Sonne aus, und ihre goldgelbe Natur umheerte den Horizont wie eine nöhlige Nase ohne Ursprung.“

Weitere Zutaten: Ein Mord an einer reichen Aktionärin, ein alkoholkranker Ex-Chirurg.

„Im Gros ist diese Figur unspektakulär, und damit doch spektakulär. Weil er uns glauben lässt, er sei spektakulär mit Unspektakularität…Äh…“

MUSIK James Bond von John Zorn

Action und Rührung fehlen aber nicht – Schneider schickt seine Leser durch ein Wechselbad von Knarren und Kitsch:

Buchzitat: „Konniff…warf sich auf den Unbekannten und nahm ihn in den Schwitzkasten,…. Dann brach er ihm einen Arm und schmiss ihn aufs Bett. ‚Wer bist Du, Drecksau?!’“

Kitschmusik

Buchzitat: 1:40 „Er konnte die Liebkosungen nicht weiter ertragen,.. ‚Ich kann es nicht tun!’ Silke-Lara gab ihm ein Taschentuch….“

Das ist mehr als ein Melodram, sondern sogar eine Kritik an unserer Wahrnehmung der Wirklichkeit: Die Hauptfigur Kollendorf entpuppt sich am Ende als Hirngespinst des Schriftstellers Robert Fork, ebenfalls Romanfigur!

„Damit kommt er nicht klar. Das erfahren wir nicht, ich weiß das! Er kommt damit nicht klar und sitzt beim Psychiater rum. Warum sitzt der da, wenn er doch in Scheinwelt lebt und das nicht weiß?!“

MUSIK I brake together 14 – Piano-Solo

Das scheint aber auch wirklich die einzige Frage, die Helge unbeantwortet lässt. Ansonsten: Alles erklärt!

„Deshalb könnte man meinen, es könne gar kein Buch mehr geben, von mir. Aber das ist ein Trugschluss. Dem nächsten Buch ist vollkommen egal, was vorher war!“

MUSIK I brake together 14 – Piano-Solo wieder hoch