Erst Shootingstar des amerikanischen Buchmarkts, kurz darauf der meistgehasste Autor Amerikas: James Frey war das beides vor einigen Jahren – wegen einer angeblich gefälschten Autobiographie. Nun legt Frey eine wilde Collage über Los Angeles vor.
In seiner Autobiographie „Tausend kleine Scherben“ hatte er sich als hoffnungslosen Alkoholiker beschrieben, der Höllenqualen durchlitt und schließlich den Entzug überlebte. Das Buch wurde ein Bestseller, schaffte es in Oprah Winfreys Buchclub, bis herauskam, dass das Meiste frei erfunden war. Reporter belagerten den Autor, der in den Medien gescholten wurde und vor dem medialen Tribunal zu Freunden nach Frankreich floh. Frey behauptete, er habe von vorneherein nie etwas Anderes als Fiktion geschrieben. Und das tut er nun explizit mit „Strahlend schöner Morgen“.
Was genau damals geschah, wissen wohl nur James Frey und sein Verlag, und beide haben Schweigeverpflichtungen unterzeichnet. Frey behauptet weiterhin, er habe damals einen Roman verfasst, den der Verlag auf eigene Faust als verkaufsträchtige Autobiographie vermarktete. Noch heute ist dem Autor das puritanische Wahrheitstribunal der amerikanischen Medien zuwider.
„Die Europäer haben ja über die Kontroverse gelacht. Ich finde das Konzept von Authentizität sowieso lächerlich. Als literarischer Autor wurde ich hier in Amerika mit strengeren Maßstäben gemessen als Zeitungen, Fernsehnachrichten oder Politiker. Das ist ein Witz! Als ginge es in der Kunst um Fakten, nicht um Wahrheit! Wer eine gute Geschichte erzählt, erlaubt sich künstlerische Freiheit!“
In der Tat ließ die Kontroverse Publikum wie Kritik recht erbärmlich aussehen – Literatur maß die US-Öffentlichkeit wohl mit dem Kriterium der Faktentreue, als werde hier eine Reality-TV-Show verhandelt. Nun legt Frey sein nächstes Buch vor und betont gleich auf der ersten Seite wörtlich: „Vorsicht, dies ist keine wahre Geschichte“!
„Natürlich war das Trotz. Mit diesem Satz sage ich im Grunde: Ich werde mich nicht ändern, nur weil ich kritisiert wurde. Vieles im Buch ist halt wahr, vieles erfunden.“
Frey liefert ein collageartiges Porträt des heutigen Los Angeles, durchsetzt mit geschichtlichen Fakten oder Nonsens und zig Figuren: ein Obdachloser, ein im Geheimen homosexueller Hollywoodschauspieler, ein ausgerissenes Teenagerpärchen, eine Latina mit Übergewicht, Rocker im Drogengeschäft – sie alle suchen hier ihr Glück
„Es geht um Los Angeles, eine wild wuchernde Stadt ohne Zentrum mit bunt gemischter Bevölkerung. Das sollte das Buch widerspiegeln. Es gibt also nicht den einen Helden. Ich habe versucht, hunderte von Figuren zu einem Ganzen zusammenzufügen.“
Teilweise berühren diese Handlungsstränge, dann wieder reißen sie für lange Zeit ab. Der Versuch ist verdienstvoll: Die Unterhaltungsmetropole formell zeitgemäß darzustellen, als zappe man sich durch die Leben der Stadtbewohner, in rasanter, fast elliptischer Sprache. Mal hat das Energie, mal rauschen die Figuren einfach am Leser vorbei wie die Autos auf dem Highway.
„Ich lese meine eigenen Bücher nicht, nie! Ich schreibe sie vom Anfang bis zum Ende in einem Zug, ich schreibe nichts um, ich korrigiere nichts. Manchmal ist das seltsam, wenn Leute mich nach meinen Büchern fragen, und ich ihnen sagen muss: Ich erinnere mich nicht…“
Leider merkt man das mehr als einer Passage deutlich an.
Rezensiert für NDR Kultur.