John Burnsides neuestes Buch trägt den Titel „Die Spur des Teufels“ und schreibt sich ein in das Werk des Autors, der Romane mit Motiven der Gothic Novel veröffentlicht hat. Geboren 1955, war Burnside in der Computerbranche tätig, ehe er seine nebenbei geschriebenen Gedichte einer größeren Öffentlichkeit präsentierte und sich schließlich ganz dem Schreiben widmete. Worum es im neuen Roman geht, sagt Pascal Fischer.

In der schottischen Küstenstadt Coldhaven soll einst der Teufel nachts seine Spuren im Schnee hinterlassen haben. Bloß eine abergläubische Sage? Oder Sinnbild für das potentiell Schädliche, das jeder Eindringling in eine Gemeinde hereintragen kann? Für John Burnside ist diese Rahmenhandlung in seinem neuen Roman noch mehr: Eine Parabel für die Macht der Geschichten über unser Leben, Geschichten, die tief in uns keimen.

„Mich interessiert immer wieder ein Thema: Vor allem Männer haben eine Art Programm, nach dem sie leben. Alles ist geplant. Aber ihr inneres Leben liegt darunter, und davon wissen sie nichts, bis es irgendwann ausbricht. So etwas beobachte ich bei Männern auf der ganzen Welt. Also wollte ich eine in dieser Hinsicht extreme Figur entwerfen, die von Tag zu Tag lebt, geradezu mechanisch.“

Michael Gardiner ist so jemand. Er lebt in Coldhaven im großen Haus seiner Eltern. Eine nennenswerte menschliche Beziehung scheint er zu seiner Ehefrau nicht aufgebaut zu haben, geschweige denn zu sonst jemandem. Der Kontakt zur Welt beschränkt sich auf die Zeitung, aus der er hin und wieder Artikel ausschneidet. Bis er vom Selbstmord seiner Jugendliebe Moira liest: Moira hat sich mit ihren beiden kleinen Söhnen in einem Auto angezündet. Einzig ihre Teenagertochter Hazel ließ Moira laufen. Schnell kehren so auf den ersten Seiten Michaels verdrängte Erinnerungen an ein unentdecktes Verbrechen zurück: Moiras Bruder Malcolm mobbte Michael zu Schulzeiten. Deshalb lockte Michael seinen Peiniger in einen verlassenen Kalkschuppen außerhalb der Stadt und stieß ihn in eine Wassergrube.

„Es gibt zwei widerstreitende moralische Grundprinzipien in uns. Auf der einen Seite der primitive Zwang, Rache zu üben, zu verletzen. Auf der anderen Seite: zu versuchen, jemanden zu verstehen, Frieden zu schließen. Michael hat die Chance hierzu, aber er nutzt sie nicht. Am schlimmsten ist es, dass er sich einredet, er habe Malcolm nur demütigen wollen, dabei hat er den Mord geplant.“ 

Ob im Rückblick oder in Michaels gegenwärtigen Gedanken: Ständig schwingt in den einfachen, eleganten Sätzen ein untergründiges Grauen mit; gekonnt mysteriös hält der Autor alles in der Schwebe zwischen Michaels fortwährender Selbsttäuschung und der vorbewussten Ahnung von seiner Schuld und Fremdbestimmung.

Mehrere Handlungsstränge reichern dieses Leitmotiv an: Michaels Wahn, Moiras Tochter Hazel sei eine gemeinsame Tochter; seine Irrfahrt mit ihr entlang der Küste; ein deprimierendes Familiengeheimnis, das erklärt, warum Michaels mondäne Eltern ihr Leben lang in diesem Küstenkaff ausharrten.

Geschichten haben eine Macht über uns. Gerade die Sage vom Teufel in Coldhaven zeigt, wie wir unser teuflisches Inneres nach außen projizieren.

 „Ich habe keine einfache Monstergeschichte geschrieben, weil die Monster aus unseren Familiengeschichten viel interessanter und subtiler sind. Es ist wie mit Orpheus: Als Orpheus sang, erschienen Tiere. Das ist eine Metapher für unsere Vorstellungskraft: Vorsicht damit, Du weißt nie, was Du erschaffst…“

(für NDR Kultur)