Zehntausende Banker wurden in den vergangenen Wochen in New York arbeitslos. Ein Drama auch für den Kunstmarkt. Natürlich werden seit jeher viele Bonuszahlungen an der Wall Street direkt in Gemälde oder Skulpturen investiert. Werden die Galerien und Auktionshäuser nun die nächsten sein, die die Finanzkrise zu spüren bekommen? Pascal Fischer hat in New York nachgefragt – und unterschiedliche Antworten bekommen.
Die einen sehen in ihm einen zeitgenössischen Künstler, die anderen verachten ihn als ein überdrehtes Marketinggenie. In diesen Krisenzeiten jedoch ist man sich in New York plötzlich über Damien Hirst einig: Ein Symbol für die Widerstandsfähigkeit des Kunstmarktes wird er, der in London Werke für 140 Millionen Euro versteigern ließ – just, als die Investmentbank Lehman Brothers pleite ging.
Dass die Finanzkrise irgendeinen Einfluss auf die Kunstwelt haben muss, darüber ist man sich in New York einig. Die Angst geht um. So manche Gallerie will die Lage am Telefon nicht kommentieren, auch vor Ort schweigen sich weltbekannte Größen aus, etwa die Sonnabend Gallery, die zum Beispiel Gilbert and George gezeigt hat. Andrea Teschke, Direktorin der kleineren Friedrich Petzel Gallerie in Chelsey, sagt: Zwischen 10 und 15 Prozent ihrer Kunden habe bei Lehman Brothers gearbeitet.
„Das ist natürlich ganz tragisch geworden. Weil viele der Leute, die versuchen jetzt gerade ihre Sammlung zu verkaufen. Es wenden sich halt viel, viel mehr Leute an uns als noch vor ein, zwei Jahren, an die wir Arbeiten verkauft haben, die sie jetzt wieder verkaufen wollen. Das hat sich schon geändert. Aber die Primärmarktverkäufe sind nicht eingebrochen. Aber wir sind natürlich besorgt.“
Eine Wirkung dürfte sich allerdings frühestens in einigen Monaten zeigen. Kunststudenten in New York lernen schon an der Universität, dass der Markt den Finanzkrisen allenfalls mit einer Verzögerung von 6 bis 8 Monaten folgt. Oswald DiFilippo von der Dellon Gallerie in Chelsey zeigt sich unbeeindruckt: Die Preise seien in den letzten Monaten sogar gestiegen, und das, obwohl die Finanzkrise genaugenommen ja schon länger währe. Diese Woche eröffnet DiFilippo eine neue Schau mit norwegischen Künstlern.
Die Preise seien festgelegt. Er könne die Preise nicht einfach ändern, wenn man sie in zwei oder drei anderen Teilen der Welt auch so bekanntgebe. Er repräsentiere beispielsweise bis zu acht japanische Künstler. Er könne den Wert nicht verändern, selbst, wenn er sie in New York verkaufe. Der Wert bleibe doch derselbe!
Auch Sotheby’s gibt sich optimistisch: Das Auktionshaus wird im November in New York einen Munch und einen Picasso versteigern. Für beide Gemälde erwartet man mehr als dreißig Millionen Dollar – wohl auch, weil das kanonische Werke sind. Denn es gibt viele verschiedene Kunstmärkte, und die könnten unterschiedlich reagieren. Klassische europäische und amerikanische Bilder beispielsweise dürften krisenfester sein, als zeitgenössische Maler oder gar hysterisch hochgeheizte Kunst aus Asien. Manche Galeristen erwarten eine Marktbereinigung, ähnlich wie im Bankensektor. Andrea Teschke von der Friedrich Petzel Gallerie:
„Ich meine andererseits: Diese Finanzmarktkrise hat ja vielleicht auch so ein bisschen den Vorteil, dass das so ein bisschen ausgesiebt wird. Dieser ganze Wahnsinn im Kunstmarkt, der stattgefunden hat: Dass teilweise Künstler mit 24 oder 25 200 000 Dollar kosten, von einem Tag auf den anderen. Solche Sachen werden sich wahrscheinlich regulieren durch die Krise. Was ja nicht das schlechteste ist, dass sich da mal was ändert.“
Außerdem macht es etwas aus, wie sich die Kundschaft zusammensetzt. Denn die schwächelnde US-Wirtschaft lockt gerade Ausländer an. Jeff Stricoff von der Stricoff Fine Art Gallery:
Im Allgemeinen gehe es ihm gut. Viele Europäer kämen gerade zu ihm und mit denen mache er sein Geschäft, weil der Dollar so wenig wert sei. Die Europäer kämen und machten ein Schnäppchen. Er habe mit anderen Galerien im Viertel gesprochen, denen scheine es nicht gut zu gehen. Aber er habe Glück gehabt…
Das alles dürfte dem harten Kern im Kunst-Jet-Set sogar egal sein, vermutet Stricoff: Wenn ein 50-Millionen-Dollar-Gemälde nun nur noch 25 Millionen wert sei, werde das den Lebensstil seiner Klientel nicht wirklich ändern. Daniel Lechner von „Cheim and Read“ kann da nur zustimmen. Gerade zeigt die Galerie Bilder und Skulpturen von Louise Bourgeois. Auch das Guggenheim zeigte ihre Arbeiten kürzlich.
„Wenn man Kunst hat, die bei 850 000 Dollar anfängt in einer Ausstellung, dann ist das natürlich ein sehr ausgewähltes Publikum, an die man diese Arbeiten verkauft. Menschen, die Louise Bourgeois verstehen, schätzen und sammeln sind Menschen, die ein sehr großes Verständnis für Kunst haben und einen sehr persönlichen Bezug zum Kunstsammeln. Das sind jetzt keine Plakate oder keine Klischeearbeiten, die man sich an die Wand hängt wie ein Statussymbol.“
Kunstwerke sind in diesen Kreisen Liebhaberstücke für das Leben, keine Spekulationsobjekte. Auf Anfrage gab sich das Auktionshaus Christie’s optimistisch: Der echte Sammler kaufe Kunst, wenn sich die Gelegenheit böte, und richte sich nicht nach äußeren ökonomischen Bedingungen. Von je her habe das Auf und Ab der Finanzmärkte kaum direkten Einfluss auf den Kunstmarkt gehabt. So ist es also: Es gibt einen Markt, der noch über der Finanzindustrie schwebt, – den Kunstmarkt.
Oder, um es mit den Worten von Oswald DiFilippo von der Dellon Gallery zu formulieren:
Er gehe in den Supermarkt, ins Museum, zu Freunden. Nein, nichts habe sich wirklich verändert. Er werde von den Medien mit Krisenmeldungen bombardiert, aber sei sonst nicht betroffen. Die Finanzkrise sei eher ein Medienevent, als ein reales Ereignis
(für WDR3 Mosaik)