Mehr als 200 literarische Texte erschienen von 1942 bis 1947 in den USA, dem wichtigsten Land für geflohene Literaten aus Nazideutschland und Österreich. Unter was für widrigen Umständen die Verleger Romane und Gedichte herausbrachten, zeigt nun eine Ausstellung in New York – eine Zusammenarbeit des Goethe-Instituts und des Leo-Baeck-Instituts. „Publishing in Exile“ präsentiert die Arbeit der sieben wirkungsmächtigsten Verleger deutscher Exilliteratur in den USA.
Kein Schriftsteller schreibt für die Schublade. Das zeigt sich vor allem im Exil. Auszüge aus dem erschütternden Briefwechsel von Anna Seghers und dem New Yorker Exilverleger Wieland Herzfelde dokumentieren das nun im Leo-Baeck-Institut in New York. Anna Seghers brauchte die Ermutigung von ihrem New Yorker Verleger unbedingt, erzählt der Kurator Paul North.
„Anna Seghers schrieb einmal sinngemäß: ‚Wenn Du mir hilfst, mein Schreiben sichtbar zu machen, inspiriert mich das. weiterzumachen.‘ Wenn jemandem nämlich die ganze Welt geraubt wird, gibt es keinen Grund, weiterzuschreiben. Die Exilverleger konnten den Autoren zumindest eine kleine Welt bieten.“
Seltene Buchausgaben, Briefe, Rechnungen, Fotos und Manuskripte sind in der Ausstellung zu sehen. Paul North hat sie mühsam aus der Berliner Akademie der Künste, aus dem Literaturarchiv Marbach, aus amerikanischen Bibliotheken und aus dem Besitz von Privatleuten zusammengetragen.
Mit deutscher Literatur allein konnten Exilverlage in den USA kaum auf dem Markt bestehen. Die englischsprachigen Verlage hatten ein größeres Publikum. Sie waren mit vielen Bestsellern finanzkräftiger und konnten bei unbekannten Titeln ein höheres Risiko eingehen. Der Kafka-Entdecker Kurt Wolff gründete daher 1942 einfach selbst einen amerikanischen Verlag: Pantheon-Books, eine „Mischkalkulation“. Paul North:
„Europäische Texte sollten übersetzt in Amerika veröffentlicht werden. Aber Pantheon veröffentlichte auch Bücher auf Deutsch. Man kann ja keine Übersetzung herausgeben, ohne dass es ein Original gibt. Wenn jeder auf Englisch schriebe, gäbe es keine europäische Literatur mehr! So bewahrten sie die deutsche Kultur. Ihr wichtigstes Buch war die zweisprachige Ausgabe von Hermann Brochs ‚Der Tod des Vergil‘.“
Ein ähnliches Geschäftsmodell verfolgte auch der Verlag L.B. Fischer Corporation, einer Neugründung von Fritz Landshoff und Gottfried Bermann-Fischer, dem aus Deutschland geflohenen Schwiegersohn von Samuel Fischer. L.B. Fischer feierte mit Anthologien amerikanischer Erzähler Erfolge, und konnte nebenbei Thomas Mann und Franz Werfel verlegen. Schließlich druckte L. B. Fischer für die US-Regierung sogar billig Klassiker, Goethes „Lotte in Weimar“ oder Heines Gedichte für deutsche Kriegsgefangene – ein Vorläufer des Paperbacks war geboren. Ohne solche Großkunden und ohne Anschubfinanzierung aber blieb meist nur Eines.
„Als Exilverlag überlebte man gerade auch durch Vorbestellungen. Man warb per Brief bei allen Exilanten, die man nur irgendwie finden konnte. Die Vorbestellungen finanzierten den Druck, und dann versandte man die Bücher. Kunden waren alle erdenklichen Exilanten: Von Albert Einstein bis Arnold Schönberg.“
Die Verleger sprachen ihre potentiellen Kunden in den Briefen unumwunden und persönlich an: Wer ein Buch kaufe, tue nichts weniger, als die bedrohte deutsche Kultur zu unterstützen, lautete das erste Verkaufsargument.
Mit Erfolg: Den Höhepunkt ihrer Produktion erreichten die Verlage schließlich 1944 bis 1945, danach brach das Geschäft wieder ein.
„Als die Verleger ab 1939 in die USA kamen, brauchten sie lange, um die Exilverlage überhaupt aufzubauen. Auch, weil Papier im Krieg rationiert wurde. Als das Geschäft endlich lief, war der Krieg gerade vorbei. Aber dann wurde es doppelt schwer. Denn alles Deutsche wurde von da an stigmatisiert, ganz egal, ob es um Flüchtlinge vor den Nazis ging!“
Dabei hatten die Verleger so viel erfolgreiches Organisationstalent bewiesen: Aus Mangel an kompetenten Setzern machten sie emigrierte deutsche Setzer ausfindig. Bermann-Fischer ließ billig in Schweden drucken, wo allerdings niemand vernünftig Korrektur las. Thomas Mann war ständig wütend über die vielen Fehler in seinen Büchern.
Originalquittungen belegen die mageren Honorare der Autoren, die sich in Dankesschreiben überschwänglich für so manche unübliche Vorauszahlung bedanken. Es ist überwältigend, wie große deutsche Schriftsteller im Exil verarmt und unbekannt ums Überleben kämpften. Wie die Verleger den widrigsten Umständen trotzten, um zumindest ansatzweise eine deutsche Kultur zu retten, die ihnen in Europa schon gestorben schien.
Die Ausstellung präsentiert alles überwältigend dicht auf kleinstem Raum. Dankenswerterweise lässt sich das Meiste im kostenlosen Katalog zuhause nachlesen.
Die Ausstellung „Publishing in Exile – German-Language Literature in the U.S. In the 1940s“ ist noch bis zum 28. Juni im Leo-Baeck-Institut zu sehen.
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