„State of play“ war eine sechsstündige Serie, die 2003 in der BBC lief und von Kritikern hoch gelobt wurde: Es ging um schmutzige Ölgeschäfte, die ein Journalist langsam aufdeckte. Nun hat sich Hollywood des Stoffes angenommen. Gleich drei Drehbuchschreiber kürzten den Stoff auf Spielfilmlänge ein und gaben der Geschichte einen anderen Fokus: Statt um Öl geht es im neuen Film um dreckige Geschäfte mit privaten Sicherheitsfirmen. Und der Journalist, der dieses Mal die Skandale aufdeckt, muss sich für seine langwierigen und zunächst ergebnislosen Recherchen vor der Herausgeberin rechtfertigen, die auf hohe Auflagen, reißerische Schlagzeilen und viel Profit hofft. „State of play“ ist damit ein Film über das Zeitungssterben in den USA, über die Krise der Medien.

„Why didn’t we have this?“

Herausgeberin Cameron Lynne ist aufgebracht. Sie hat den Reporter Cal McAffrey auf die Story des Jahres angesetzt: Ein Kongressabgeordneter durchleuchtet die dreckigen Geschäfte einer amerikanischen privaten Sicherheitsfirma im Irak, da stürzt seine beste Rechercheurin morgens vor eine U-Bahn. Wurde sie ermordet, weil sie zuviel herausgefunden hatte? Eine Nebenspur führt zu einer Kellnerin, die den Medien schmutzige Sexgeschichten auftischt. Cal hält die Kellnerin für unglaubwürdig, hat ihre Aussage, die folgenden Dementis und Gegen-Dementis nicht veröffentlicht, im Gegensatz zum Konkurrenzblatt. Nun muss er sich von der Herausgeberin rechtfertigen.

„That is a sideshow!“

Reporter Cal hält alles für eine inszenierte Ablenkung von der wahren Geschichte.

„The real story is the sinking of this bloody newspaper!“

Die wahre Story sei der Niedergang der Zeitung, brüllt ihn seine Chefin daraufhin an. „State of play“ fand bei der US-Kritik viel erschrockene Zustimmung, weil er den Niedergang der amerikanischen Zeitungsindustrie auf den Punkt bringt.

Schon jetzt liefern Tageszeitungen in Detroit an einigen Tagen nicht mehr aus. Erst Mitte Februar waren die Rocky Mountain News in Denver pleite gegangen. Seit Mitte März ist der Seattle Post Intelligencer nur noch online zu lesen. Selbst die renommierte New York Times hat Finanzprobleme. Und der 140 Jahre alte San Francisco Chronicle hat im vergangenen Jahr 50 Millionen Dollar Schulden eingefahren. Sollte er eingestellt werden, wird San Francisco zur ersten amerikanischen Großstadt ohne Zeitung. Bis 2010, so die düsteren Prognosen der Experten, werden Städte mit zwei Zeitungen nur noch eine haben, und viele gar keine mehr. Was das für kommunalen Filz und städtische Korruption bedeutet, möchte man sich nicht ausmalen.

Cal, der raubeinige, langhaarige Rechercheprofi, steht für die mühsame, aber notwendige Kleinarbeit der vierten Gewalt, die durch Sparmaßnahmen vom Aussterben bedroht ist. Der „Washington Globe“ im Film erinnert an die echte „Washington Post“, einst berühmt durch die Watergate-Enthüllung, spätestens seit diesem Jahr berüchtigt für drastische Stellenkürzungen und Abfindungen.

Die neuen Eigentümer des „Washington Globe“ hätten eine alte Idee: Profit, seufzt Herausgeberin Lynne. Längst zählt die aufwändige, investigative Printreportage nicht mehr so viel wie die Leserzahlen des hauseigenen, oberflächlichen „Capitol-Hill-Blogs“, jede Stunde herausgehämmert von der jungen, glatten Kollegin Della Fry.

„She is hungry, she is cheap, and she gets out an article every hour“ – „Yes I know, I take way too long…“ – „Yes you do!“

Della sei hungrig und billig, Reporter Cal dagegen zu langsam, bellt Herausgeberin Lynne ihren einstigen Starreporter an. So realistisch die Grundkonzeption ist, so hollywoodesk übertrieben ist der Film in seinen Details: Da scheint jeder Journalisten-Büroplatz ein Gewimmel von Zettelchen und Büchern, als arbeite ausnahmslos jeder heroisch investigativ. Cals Computer soll 16 Jahre alt sein, aber hat einen schwarzen Bildschirm mit grell blinkendem Cursor, wie aus den frühen Achtzigern. Und zu guter Letzt darf Cal weiterrecherchieren, obwohl er privat mit den Beteiligten im Skandal verbandelt ist. Das würde sich keine halbwegs seriöse Zeitung leisten.

Der Journalismus verschaffe sich seine Informationen auf korrumpierte Art und Weise, sagte Hauptdarsteller Russell Crowe den US-Medien, das wiederum ist eine ernstzunehmende Kernbotschaft. Auch Cal scheut vor nichts zurück: Er schreibt sich in der Gerichtsmedizin Nummern aus dem Handy des Mordopfers ab, das gerade seziert wird.  Selbstredend filmt er heimlich seine Informanten und bedroht sie mit schlechter Presse, falls sie keine Informationen herausrücken. So sieht das boulevardeske Tagesgeschäft heute aus.

Wie so mancher Kritiker finden konnte, hier werde die idealistische vierte Gewalt verteidigt, ist ein Rätsel. Vielleicht verweist das generell auf die verblendete Selbstwahrnehmung der macht- und publicitysüchtigen politischen Journalisten. Oft sind sie am Ende nur Verlautbarungsorgane. Schließlich verdankte sich schon die Watergate-Enthüllung nicht so sehr der harten Recherche, als vielmehr den Tipps von Deep Throat.

Der Skandal hatte den 70er Jahren eine Reihe von journalistischen Thrillern beschert; „State of play“ scheint ein letzter Genrebeitrag.

Passend dazu läuft im Abspann zur Musik von Creedence Clearwater Revival die Druckerpresse an. Besser, die Leute läsen die Story als erstes gedruckt, behauptet tatsächlich eine Figur am Ende – als werbe nicht längst jede Zeitung online für die Stories des nächsten Tages. Überhaupt scheint keiner Cals Artikel am Ende gegenzulesen. Und dass Cal den Druck ökonomisch selbstmörderische vier Stunden verzögert hat, interessiert auch niemanden. Dramatisch überzeichnet gerät „State of play“ so zu einem fast rührend nostalgischen Heldenepos des aussterbenden Printreporters.

Wenn es weiterhin noch solche Zeitungsthriller geben sollte, mutmaßte ein US-Kritiker, dann nur aus einem Grund: Weil es cooler sei, „Stoppt den Andruck!“ zu rufen, als „Brecht den Upload ab!“

In einer kürzeren Version gesendet in den WDR3-Resonanzen.