Wertverfall bei Häusern in den Hamptons, Hummer, der keine Abnehmer mehr findet, Galerien in Chelsea, denen mittellose Banker alle ihre Gemälde andrehen wollen: Die große Party ist vorbei. An der Wall Street wird ein ganzer Lebensstil abgeschrieben. Was machen die betroffenen Banker?
Straßenatmo
Der Börsenbulle am Broadway, nahe der Wallstreet, muss in diesen Tagen Vieles erdulden. Touristen posieren mal albern, mal anzüglich vor und hinter dem bronzenen Tier. Die Zeit, da man der Finanzbranche, ihren Symbolen und Akteuren Respekt entgegenbrachte, scheint endgültig vorbei. Viele Passanten haben nur noch Spott für die Banker übrig.
Super Leistung, meint einer. Haben die Wirtschaft in die Knie gezwungen. Die wollten sich doch nach Leistung bezahlen lassen, doch die Leistung sei der letzte Dreck. „Die sollen ihre Yacht waschen gehen! Die sollen Toiletten putzen!“
So weit ist es für Joshua Persky, 49 Jahre alt, noch nicht gekommen. Aber in einem Land ohne nennenswerte Arbeitslosenunterstützung ist eine Kündigung für ihn ein harter Einschnitt, trotz Wirtschaftsabschluss am renommierten Massachusetts Institute of Technology. Die kurzen, korrekt geschnittenen Haare, die zwinkernden Augen, der perfekt sitzende Nadelstreifenanzug lassen kaum vermuten, dass Persky schon im vergangenen Sommer seinen Job in einer mittelgroßen Investmentbank verlor. Als wochenlange Bewerbungen nichts brachten, hängte er sich auf der Straße ein Werbeschild um.
„Ich dachte mir einfach: Ich gehe zur Mittagszeit auf die Park Avenue und teile Handzettel mit meinem Lebenslauf und meiner Adresse aus. Denn da gehen die alle essen, die Leute von Hedge-Funds, Privatbanken, oder aus der Private-Equity-Branche. Und dann fand ich: Wenn ich schon Zettel verteile, kann ich auch ein Schild nehmen. Meine Frau organisierte einen Plakatkarton…!“
Das verschaffte ihm Interviews mit Medien aus aller Welt. Exbanker läuft herum wie ein Sandwichverkäufer. Dazu musste er sich überwinden, er, der als Aktienhändler, Marketingexperte und Unternehmensberater gearbeitet hat. Zwar war er zwischendurch immer mal für wenige Monate arbeitslos. Aber immer hat er schnell einen besseren Job gefunden.
„Damals habe ich einfach Klinken geputzt und den Chefs meinen Lebenslauf reingereicht. Wenn man da Eigeninitiative zeigte und hartnäckig war, haben die das gut gefunden und Dich eingestellt. Nur: Seit den Terroranschlägen in New York lässt mich der Sicherheitsdienst ohne Termin noch nicht einmal ins Gebäude…“
Ein Jahr später hat er noch immer keinen Job. Die Ersparnisse sind aufgezehrt, die Luxuswohnung auf der noblen Upper East Side mit Türsteher, Putzservice, Swimmingpool, Fitnessclub und Sonnendeck musste er aufgeben. Seine Frau ist mit den Kindern bei ihrer Mutter in Nebraska untergekommen. Persky besucht sie regelmäßig, dann hat er sogar mehr Zeit als früher für seine Kinder, lächelt er. Um in Manhattan vielleicht noch einen Job zu finden, wohnt Persky in einem New Yorker Vorort, in einem kleinen Raum bei seiner Schwester. Über seine Website hat ihm schon ein Arzt einen Job als Marketingleiter einer japanischen Krebsklinik angeboten. Mittlerweile würde Persky überall einen Job annehmen – von Omaha bis Yokohama.
„Ich würde gerne ein Buch über alles schreiben. Vielleicht ware das eine Geldquelle. Aber eine Agentin, die ich fragte, hat abgewinkt: In einem Jahr sei diese Story veraltet. Doch das war vor einigen Monaten, und die Krise dauert an. Die geht nicht so schnell vorüber. Und ich bin ja jetzt eine weltweite Marke – als der Sandwichmann… „
Soweit hatte es Jessi Walter, 27 Jahre alt und Absolventin der Harvard-Business-School, noch nicht gebracht. Die junge Frau mit der dezenten Perlenkette und sorgfältig hochgesteckten braunen Haaren arbeitete früher als Kreditexpertin bei Bear Stearns. Doch dann übernahm JP Morgan die Firma. Jessi Walters letzter Arbeitstag war der zweite Juni.
„Als der Deal bekannt wurde, habe ich meinen Lebenslauf zusammengestellt und nach Jobs geschaut. Aber nichts hat mich wirklich angesprochen. Ich sagte mir: Das hier ist ein Bruch, ein Übergang. Was willst Du wirklich als Nächstes machen?“
Kochgeräusche
Jessi Walter tauschte ihr Businesskostüm gegen eine Kochschürze ein und gründete cupcakekids, zu deutsch: Napfkuchenkinder, eine Kochschule für alle zwischen zwei und 16 Jahren. Inmitten von einem Dutzend Kinder steht sie nun in der Küche des Restaurants Pong in Greenwich Village und bereitet Apfelmus, Müsliriegel und Kuchen zu.
„Ich sehe mich als Geschäftsfrau: Ich bin doch eine Firmengründerin! Ich finde es spannend, eine Firma aufzuziehen. Da ist mehr Unternehmertum, mehr Flexibilität drin als in Großunternehmen.“
Statt des verpackten Essens sehen die amerikanischen Kinder mal Nahrungsmittel in Urform und lernen etwas über gesunde Ernährung. Ein zukunftsträchtiges Geschäftskonzept, gerade in den USA, glaubt Jessi Walter.
Seit einem Monat führt sie die Firma von zuhause, besucht Schulen und versucht, Lehrer zur Zusammenarbeit zu bewegen.
„Meine Tage sind komplett vollgepackt, ich arbeite mehr als bei Bear Stearns. Mein Tag beginnt um halb sieben und endet um neun!“
Ihren sparsamen Lebensstil musste Jessi Walters nicht ändern und konnte ihr Apartment in Greenwich Village halten. Über Rücklagen sichert sie die Startphase ihrer Firma. Die Bankenkrise hat sie als Chance genutzt.
So weit hat es Eric I gar nicht erst kommen lassen. Der ehemalige Wall-Street-Anwalt freut sich, wenn andere über ihn lachen.
Atmo: Gelächter im Comedy-Club
… mit betont heraushängendem Hemd und zerbeulter Bluejeans steht der 38jährige auf der Bühne. Als Stand-Up-Comedian ist er in den Kellern, und nicht mehr in den himmelstürmenden Glaspalästen von New York unterwegs. Eric I hat einen einfachen Verwaltungsjob im Finanzviertel angenommen, damit er abends Zeit für seine Leidenschaft findet.
„Ich mache mit Comedy einen siebenstelligen Betrag im Jahr. OK, die ersten vier Ziffern davon sind Nullen. Ich bekomme dadurch wohl weniger als ein Prozent meines Einkommens, aber 95 Prozent meiner Lebensfreude. Diese Karriere macht mehr Spaß.“
Aber auch hier hat der Humor seine Grenzen. Auf dem Underground Comedy Festival vergangene Woche jedenfalls erzählte Eric I keinen einzigen Witz über den Börsencrash.
Siebenhundert Milliarden Dollar Staatsknete auf Pump, nein, das sei nicht lustig.
(für das Podium im Deutschlandfunk)
Links:
Joshua Persky: www.oracleofny.com
Jessi Walter: www.cupcakekidsnyc.com