Mit den Abteilungen für interkulturelle Kommunikation ist das in Unternehmen so eine Sache: Viele Firmen haben sie, aber im Grunde nur als Feigenblatt. Nur, wenn dann die internationale Firmenfusion scheitert, ist die „Unternehmenskultur“ plötzlich wichtig – als Sündenbock. Dabei ist das Wissen von fremden Kulturen in der Globalisierung immer wichtiger, denn nur die Kenntnis einer fremden Mentalität kann den Zugang zum Markt erschließen. Und dabei kommt es zum Austausch von Vorstellungen und Werten, mal gezielt, mal beiläufig. Wie funktioniert so ein interkultureller Werteaustausch, ist er wünschenswert? Was für Werte werden dadurch entstehen? Fragen, mit denen sich in den letzten zwei Tagen rund 30 Wissenschaftler an der Uni Witten-Herdecke beschäftigt haben. Pascal Fischer berichtet vom Workshop.
Praktiker und Professoren, Kultur- und Wirtschaftswissenschaftler, Deutsche und Asiaten: Sehr interdisziplinär war die Zusammenstellung der Teilnehmer im Workshop zur Transkulturellen Integration an der Uni Witten-Herdecke in den vergangenen zwei Tagen.
Wenn ein Unternehmen ins Ausland expandiert, kann es dann auch gesellschaftliche Werte exportieren? Wie kann das Miteinander der verschiedenen Kulturen innerhalb eines global agierenden Konzerns funktionieren. Alois Moosmüller, Ethnologe und Professor für Interkulturelle Kommunikation an der Uni München verwies auf das Beispiel einer japanischen Firma in Süddeutschland.
„Was ich beobachte ist, dass die japanische Unternehmenskultur ganz viele Vorannahmen macht, zum Beispiel zur Loyalität der Mitarbeiter. Ein Mitarbeiter dieser Firma hat sich emotional entschieden, für dieses Haus tätig zu sein. Das bedeutet: Ich werde vielleicht mal Nächte durcharbeiten, um die Interessen meiner Firma zu erfüllen.“
In Deutschland war dieses Verständnis nicht vermittelbar, der Ideen-Export scheiterte. Mit ein wenig interkulturellem Vorwissen wäre das nicht passiert. Dabei setzen Unternehmen gar nicht unbedingt auf die Umerziehung der Mitarbeiter im Zielland, legte Annette Bickmeyer von Bertelsmann dar: Das Gütersloher Unternehmen sucht ausländischen Führungskräfte, die sich zum Unternehmensethos bekennen: Partnerschaft, Unternehmergeist, Kreativität und gesellschaftliche Verantwortung. Denn es gibt genug Beispiele dafür, dass Werte automatisch und leise durch die Wirtschaft in fremde Kulturen vermittelt werden, erklärt Wirtschaftsprofessor Carsten Herrmann-Pillath von der Uni Witten-Herdecke: Er hat die Tagung auf die Beine gestellt.
„Es ist in China ganz klar, dass viele chinesische Frauen sagen: In bestimmten europäischen, amerikanischen Unternehmen arbeite ich lieber, weil dort die Werte der Gleichbehandlung der Frau mehr durchgesetzt sind als in chinesischen Unternehmen. … Das wirkt natürlich zurück auf die Gesellschaft!“
Oft ist die Wirtschaft also schneller als die Politik und stößt gesellschaftliche Entwicklungen erst an. Irgendwie ist das jedem klar – aber lässt sich das auch messen?
„Ich glaube, das ist etwas, worüber wir sehr wenig wissen, weil das Dinge sind, die von den Unternehmen selbst nicht erfasst werden. Das hat nichts mit dem Geschäftszweck zu tun, es bewegt sich außerhalb des Marktes. Die Wissenschaft hat ja schon Probleme, den Erfolg dieser Maßnahmen im Unternehmen zu messen!“
Ebenso schwierig ist es, Mitarbeiter zu befragen, wie ihnen denn eine Führungskraft mit neuen oder anderen Werten gefällt. Eine Möglichkeit, das zu messen, sind etwa Bewertungs-Fragebögen, die in allen Ländern verteilt werden. Doch auch da treten schnell die kulturellen Hintergründe der Mitarbeiter hervor. Die Amerikaner finden alles immer gleich „great“, die Südeuropäer neigen eher zur Nörgelei – wenn die Mitarbeiter überhaupt offen antworten, gibt Barbara Krause von der Lufthansa zu bedenken:
„Wenn wir bestimmte Dinge gerne hätten – 360-Grad-Feedback, sollte man sich bewusst sein, dass das in Asien nicht so einsetzbar ist, weil dort Mitarbeiter Schwierigkeiten haben, offen und konstruktiv Dinge anzusprechen ihren Vorgesetzten gegenüber.“
Herrschaftsfreie, offene Kommunikation – dieses demokratische Ideal trifft nicht überall auf Verständnis. So müssen die Unternehmen selbst von fremden Ländern lernen – und so bildet sich schließlich eine „third culture“, eine dritte Kultur heraus.
Doch auch hier sind sich Wissenschaftler wie Experten aus der Wirtschaft skeptisch. Denn die abendländischen Wertvorstellungen beanspruchen Allgemeine Gültigkeit – und dies berge die Gefahr, dass der Westen im derzeitigen globalen Austausch nicht nur sein technisches Know-how, sondern eben auch seine Werte exportieren wolle. Jörn Rüsen, Geschichtsprofessor und Leiter des Kulturwissenschaftlichen Zentrums Essen, meint, Der Westen dürfe nicht abgeschottet seinen eigenen Humanismus des globalen Zeitalters entwickeln, um ihn dann wieder einmal zu exportieren.
„Natürlich ist die westliche Kultur in ihrer normativen Ausprägung universalistisch. Das ist die chinesische aber auch! Also müssen wir lernen, dass unser Universalismus ein besonderer im Unterschied zu einem anderen Universalismus ist. Ein wirklich tragfähiger Humanismus kann nur interkulturell entwickelt werden!“
Aber wird ein tragfähiger Humanismus, werden die Regeln des Wirtschaftens tatsächlich immer ausgehandelt? Dies sei eher eine Idealvorstellung statt gegenwärtiger Praxis – schließlich setze sich weltweit ein aggressiver-neoliberaler US-Kapitalismus durch, mit Business-Schools und schicken Anglizismen. Und dies nur deshalb, weil weil die USA das mächtigste Land darstellen.
Hier braucht es noch mehr handfeste Beispiele, konkrete Beweise, genauere Erkenntnisse. Noch haben die Geisteswissenschaften keine Ideen, geschweige denn eine Methode entwickelt, um die Globalisierung wissenschaftlich zu flankieren und zu steuern. Am Ende gilt für einen nötigen Dialog dasselbe wie für die Verständigung zwischen den Kulturen. Professor Hermann-Pillath:
„Da muss man sich erst einmal verständigen über Begriffe und deren Bedeutung. Zunächst hat man sehr viel Übersetzungsarbeit zu leisten!“
Produziert WDR3 Resonanzen