Internetliteratur, billige Publikationsmöglichkeiten, – das waren einige der Themen auf dem diesjährigen PEN World Voices Festival in New York. Sie ließen sich ebenso unter den Festivaltitel „Evolution/Revolution“ fassen wie auch Diskussionen zur Finanzkrise. Die einst misstrauisch beäugte Lesewoche hat sich fest etabliert.So manchem US-Verleger mag die Zahl peinlich sein: Schätzungsweise mickrige 2-3 Prozent der veröffentlichten Literatur in den USA sind Übersetzungen aus anderen Sprachen ins Englische. Von jeher hat sich das PEN American Center um die Förderung literarischer Übersetzungen verdient gemacht. Um ausländischen Autoren eine Bühne zu geben und damit vielleicht ein Publikum aufzubauen, rief es 2003 das PEN World Voices Festival ins Leben. Zum fünften Mal fand es nun statt. In den vergangenen 6 Tagen lasen und diskutierten 160 Autorinnen und Autoren.
Das PEN World Voices Festival ist nach Ansicht des Verlegers Bruce McPherson ein Traum für ausländische Schriftsteller. Die kämen ins Zentrum des angelsächsischen Verlagswesens. Und so etwas war in den vergangenen Jahren nicht selbstverständlich, betont Esther Allen, einst Mitbegründerin des Festivals.
Viele Autoren wollten oder konnten damals wegen der Bush-Regierung nicht einreisen. Nun gerate das Festival in seinem fünften Jahr zu einem Symbol für den kulturellen Klimawechsel der Obama-Regierung, man hoffe wieder auf mehr Austausch.
Das Festival lockte daher erfolgreich mit viel lateinamerikanischer Literatur, mit japanischen, koreanischen, auch mit arabischen Autoren, sogar mit Wagnis-Veranstaltungen wie einem „Translation-Slam“, einem Poetry-Slam für Übersetzer.
Die Säle, Hallen und Räume waren voll. Das Themen-Potpourri zog eine heterogene, zielgenau zugreifende Besucherschaft an, aber leider keine, die sich in ein Thema vertiefen mochte. Dabei bot das Festival ein Motto: Evolution/Revolution. Mehr oder weniger diskutierte man über dessen Aspekte: In den Hintergrund rückte das genuin amerikanische Thema „Evolutionslehre versus Kreationismus“, in den Vordergrund friedliche Revolutionen wie der Fall der Mauer. Die Deutschen, unter ihnen Uwe Kolbe, Uljana Wolf und Clemens Meyer, sollten hier laut über das Leben und Schreiben vor und nach der Wende nachdenken – doch Clemens Meyer beispielsweise enttäuschte das verwirrte und erstaunte Publikum, indem er sich geradezu als unpolitischen Schriftsteller beschrieb.
„Ich fühle mich nicht als ostdeutscher Literat, ich bin ein gesamtdeutscher Schrifsteller. Man ist doch erstaunt, wie sehr sich die Fragen auf die Mauer und so fokussieren. Das ist eben so…“
Literatur aus dem Ausland findet ihre Leser wohl noch immer nicht, weil sie sich in literarische Traditionen stellt, sondern ausschließlich, weil sie zeitgeschichtliche Inhalte hat. Ein bitteres Lehrstück – bliebe die deutsche Literatur anderswo doch noch jahrzehntelang auf Nazis und Vopos reduziert. 20 Jahre Mauerfall war ohnehin ein recht abstraktes Jubiläum. Die Organisatoren schoben daher aktuelle Veranstaltungen ein.
Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman, Investmentbanker George Soros, Finanzhistoriker Niall Ferguson und andere stritten beispielsweise äußerst pointiert über staatliche Interventionen in der Rezession. Schriftstellerin A. M. Homes, Vizepräsidentin des PEN American Center:
„Das war meine Idee. Ich wollte Ökonomen hören, nicht nur Literaten. Wir kamen bei einer Sitzung des Direktoriums darauf, weil wir uns fragten, was für Themen für die Menschen gerade relevant sind. Schließlich berührte die Krise ja sogar unser Festival!“
Tatsächlich waren einige Lesungen der Krise zum Opfer gefallen. Glücklicherweise blieb noch Zeit für die leiseren, aber umwälzenden technischen Revolutionen. Die arabischsprachige Salwa Al-Neimi berichtete, wie man ihre teilweise im Mittleren Osten verbotenen Bücher mittlerweile problemlos downloaden könne; Übersetzer begriffen den Trend zur Universalsprache Englisch zur Abwechslung mal als positiv, schließlich erweitere eine Übersetzung ins Englische die Leserschaft eines Buches dann enorm! Kwame Anthony Appiah, neuer PEN-Präsident in den USA, gab sich programmatisch:
„Ich möchte das Internet als Herausforderung, nicht als Gefahr begreifen. Wir sollten begeistert sein. Gerade fremdsprachige Texte profitieren. Oft kostet es zu viel, sie erst zu übersetzen und dann noch zu drucken. In den neuen Medien kostet die Veröffentlichung fast nichts, wenn das Buch erst einmal übersetzt ist!“
Wird gar die Dichterlesung im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit bald überflüssig, weil man Youtube-Video aus dem Netz laden kann? Sicherlich nicht, das bewies gerade das New Yorker Festival. Die Autoren bloggten fleißig, doch ihre Blogs versänken im digitalen Nirwana, erzeugte nicht die reale Veranstaltung erst die nötige gebündelte Aufmerksamkeit – für die Texte im Netz. Deshalb braucht es auch weiterhin Live-Auftritte von Paul Auster, Siri Hustvedt oder Salman Rushdie. Natürlich auch, um gerade die unbekannten Schriftsteller an ihrer Seite ins Rampenlicht zu rücken. In New York ist das dieses Jahr ein weiteres Mal gelungen.
Für „Kultur heute“ im Deutschlandfunk