Poltergeister, Kobolde, Feen, Krötenregen, Kartenleserei… Die Naturwissenschaften und kritische Philosophen und Theologen haben mit so etwas längst aufgeräumt. Trotzdem lebt das Okkulte fort, in Erzählungen von UFOs und versponnenen Lehren über astrale Energien. Warum, das erklärt die Augsburger Ethnologieprofessorin Sabine Doering-Manteuffel in ihrem neuen Buch „Das Okkulte“. Sie macht den Buchdruck, die Presse, das Radio und das Fernsehen verantwortlich.

„Es geht um die Frage, ob die Medienrevolutionen und das Leitbild der Aufklärung nicht letztlich ein Paradox geschaffen haben, weil die Verbreitung okkultistischer Ideen nur über Massenmedien funktioniert!“

Das Okkulte – nicht Ausgeburt seelischer Nöte, sondern allein Effekt der alles wiederkäuenden Massenmedien? Die These ist steil, und Sabine Doering-Manteuffel will ein weites Feld umzäunen, in dem sie Teufel, Alchemisten, Parawissenschaftler, UFOlogen und noch mehr verortet. So manchesmal droht das Buch, seinen Forschungsgegenstand zu sehr auszuweiten. Andererseits kann der medientheoretische Ansatz das alles auf ungewohnte Weise zusammendenken. In acht kenntnisreichen Kapiteln, vom ausgehenden Mittelalter bis heute, liefert die Autorin viele interessante Erkenntnisse.

Den Anfang machten die Pestbücher ab dem 14. Jahrhundert: Auf der Suche nach Heilmitteln gegen die Seuche rührten Wunderdoktoren jegliches verfügbares Wissen zusammen. Die Herkunft dieses Wissens ist damit verborgen, eben okkult.

„In den Pestbüchern der frühen Neuzeit können Sie Anteile der Alchemie erkennen…aber sie werden natürlich kombiniert mit Anteilen, die aus der Volksmagie kommen, verlieren ihr Gerüst, und werden immer flacher. Einzelne Tinkturen werden herausgelöst, und zum Haarwachsen genutzt. Dafür war das aber nicht gedacht!“

Auf ähnliche Weise begünstigte der wilde Buchmarkt in der frühen Neuzeit zusammengeschriebene Geisterbüchlein. Mitunter erzählt die Autorin einzelne Geschichten kriminologisch spannend, etwa die des Arztes Barthold Florian Geerstmann aus dem frühen 18. Jahrhundert: Der glaubte sich von Teufeln verfolgt, vertrieb sie mit Sprüchen und Ritualen – und schrieb ein erbauliches, gottesfürchtiges Buch darüber. Nicht ahnend, dass solche Erlebnisberichte den okkulten Teufelsglauben gerade verbreiteten!

Versponnene Parawissenschaftler fanden gerade im 20. Jahrhundert abseits der etablierten Forschung auf dem Buchmarkt ein Publikum. Und noch heute glauben selbsternannte Experten, Kornkreise stammten von UFOs und nicht von Aktionskünstlern, obwohl das längst bekannt ist. Dabei haben gerade Kornkreise eine Geschichte, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht.

„Dahinter steckt eine Zeichentheorie, die aus einem alten Teufels- und Dämonenglauben aus der frühen Neuzeit stammt. Es sind schriftlich tradierte Sagen, die überliefert sind. Man wird deswegen auf die Außerirdischen noch lange warten müssen, denn hinter den Kornkreisen steckt der alte Teufel.“

Im Internet sieht Doering-Manteuffel das Okkulte endgültig siegen: Das letzte Kapitel listet auf, wie sich hier in nie gekannter Weise ungeprüftes Wissen verbreitet. Die Autorin schildert, wie sie selbst unentdeckt fragwürdige Thesen über UFOS und andere okkulte Phänomene aus der Massenpresse einschleuste. Solche Informationsvandalen gibt es im Web massenweise, sie verlinken ihre Artikel, um so geprüftes Wissen vorzutäuschen. Von wieder anderen Lexikonartikeln führen drei Klicks weiter zu Werbeseiten zweifelhafter Sekten. Beschreibungen und Bewertungen vermischen sich.

„Deshalb sind nicht nur einzelne Begriffe okkult, sondern das ganze Medium. Ich sehe das Okkulte siegen, nicht die Weisheit der Massen. Das ist eine Illusion, zu glauben, dass die ‚Weisheit der Vielen’ siegt, dass es zu Reinigungseffekten kommt, nur weil viele an diesen Enzyklopädien mitarbeiten.“

Aber diese Dialektik der Antiaufklärung stellt eine unvermeidbare Falle, der auch dieses Buch nicht entgehen kann – und das liegt an den medialen Strukturen, die die Autorin selbst aufdeckt: Wie alle Volksaufklärer durch die Jahrhunderte muss auch sie okkultes Wissen benennen – und verhilft ihm gerade dadurch zum Überleben.

„Aber ich selber verbreite keine Zauberbücher. Ich schreibe in einem langsamen Medium, dem gedruckten Buch. Aber ich kann mir vorstellen, dass unser Gespräch schon Teil einer Endlosschleife ist, die wir bald im Netz nachlesen können. Wir alle  reproduzieren Okkultstrukturen, oft ohne es zu wollen und ohne es zu wissen!“

Sabine Doering-Manteuffels Buch trägt den Titel „Das Okkulte. Eine Erfolgsgeschichte im Schatten der Aufklärung. Von Gutenberg bis zum World Wide Web“. Es ist im Siedler Verlag erschienen, hat 352 Seiten und kostet 24 Euro 95.

(für SWR2)