Hartz-IV-Empfänger und Rentner sehen sich chancenlos ausgegrenzt, weil sie kaum noch an einem öffentlichen Leben teilhaben können, in dem für alles gezahlt werden muss. Die Marktwirtschaft schüchtert ein und grenzt aus – dabei lässt sich nicht nur mit einfachsten Mitteln gegensteuern, finden der Kabarettist Jürgen Becker, der Journalist Martin Stankowski und der Pfarrer Franz Meurer. Nein, Helfen kann auch noch ungemein Spaß machen! Die drei sammelten ein Jahr lang Tipps, wie man ohne viel Geld den Armen hilft, die Umgebung verschönert oder den Zusammenhalt im Viertel stärken kann: „Von wegen nix zu machen. Werkzeugkiste für Weltverbesserer“ heißt ihr unkonventionelles Buch, das Pascal Fischer vorstellt.

Im Café einen Espresso trinken und einen zweiten bezahlen, den der Wirt irgendwann einem Obdachlosen ausschenkt…Sich zusammentun und eine Putzfrau nicht schwarz arbeiten lassen, sondern legal und sozialversichert einstellen: Viele solcher Tipps haben der Pfarrer Franz Meurer, der Kabarettist Jürgen Becker und der Journalist Martin Stankowski in ihrem Buch zusammengetragen. Man dürfe nicht akzeptieren, dass sich immer mehr Menschen immer weniger leisten können, findet Pfarrer Meurer:

„Die Qualität einer Gesellschaft bemisst sich daran, wie viel Kreativität sie entwickelt, um alle zu beteiligten!“

Meurer selbst zum Beispiel verschönerte den Kölner Stadtteil Höhenberg-Vingst, indem er Patenschaften für öffentliche Hundeklos oder Weihnachtsbeleuchtungen für arme Straßenzüge organisierte. Die linken Utopien der Vergangenheit, so die Grundthese des Buches, seien zu großspurig gewesen und hätten zu viel vom Einzelnen gefordert. Es sei einfacher, sich für Verbesserungen in der unmittelbaren Umgebung einzusetzen.

„Wir leben füreinander, nicht gegeneinander, wir leben miteinander, nicht nebeneinander, wir leben beieinander, nicht ohne einander! Also uns geht’ drum: Was man anderen gibt, kriegt man doppelt zurück. Nur wenn man selber anpackt, wird man glücklich!“

Wer sich engagiere, erhalte eben Anerkennung und Zufriedenheit, und das motiviere mehr als Schuldgefühle und abstrakte Hinweise auf den desaströsen Zustand der Volkswirtschaft oder auf das Verschwinden des Gemeinsinns. Oft reiche es schon, dass die Menschen ins Gespräch kommen, damit das Engagement Spaß mache. Erwachsene Frauen könnten Mädchengruppen in allen Fragen des Lebens beraten; Anwohner eines Parks Boulespiele organisieren, Kinder älteren Mitbürgern Touren durch das Viertel geben. Oder in einen Bauwagen mit Getränken füllen und umherziehen, damit die Menschen in strukturschwachen Gegenden mal wieder richtig feiern…

„So was wie eine rollende Dorfkneipe wird es vielleicht niemals geben. Aber ist das denn nicht wichtig, dass man mal gemütlich miteinander da sitzt, dass man gemeinsam was macht? Es sind Ideen gegen Vereinzelung!“

Eine Gesellschaft, die ihre Ressourcen nicht aktiviere, gehe kaputt, meinen die Autoren, und sprechen gerade auch die Senioren an, weil die neben einer reichen Lebenserfahrung auch die Zeit hätten, ihre Erfahrungen weiterzugeben. Leih-Omas und Projekt-Opas könnten beispielsweise Kindern das Stricken, Malen oder Fahrradreparieren beibringen. Die Engagierten gewönnen Respekt und fühlten, dass man sie braucht. Das motiviere vielleicht auch Hartz-IV-Empfänger, Schulkurse in jedem erdenklichen Bereich zu geben.

„Wenn ich arbeitslos bin und ein Musikinstrument beherrsche: Was hindert mich daran, dieses Angebot einer Schule oder einem Kindergarten zu machen?“

Vor allem wohl eines: Dass solche Vorschläge zugleich den Arbeitsmarkt kaputt machen und den Abbau des Sozialstaats vorantreiben, weil immer mehr soziale Leistungen unentgeltlich von den Bürgern erbracht werden. Wenn man so denkt, klingt mancher Vorschlag ungewollt zynisch, auch der, dass Obdachlose sich die Almosen der Passanten mit 30-sekündigen, pointenreichen Geschichten verdienen sollen.

„Ist es denn ehrenrührig, wenn man andere Menschen um Unterstützung bittet, das in einer Form zu machen, die diese Menschen auch erfreut? Jürgen Becker macht einen Kurs für Obdachlose, dass sie andere Menschen nicht primitiv, sondern gepflegt ansprechen.“

Überhaupt kann es ein Problem sein, dass Menschen mit Geld die Nähe zu den Armen scheuen. Und die Hilfsbedürftigen wollen den Hilfsbereiten oft nicht in ständiger Demut gegenübertreten. Als ausgeklügeltere Modelle stellen die Autoren auch Patenschafts-Netzwerke vor, in denen Geber und Empfänger sich nicht kennen. Hier sammelt eine Agentin das Geld ein und verteilt es, zum Beispiel an junge Mütter:

„Die jüngste Mutter war dreizehn, da hat ein Manager über Jahre 200 Mark gegeben. Das Kind ist heute glücklich in der Schule, die Mutter hat eine Ausbildung gemacht. Es gibt ganz effektive Möglichkeiten, von Person zu Person zu unterstützen.“

Manche Tipps allerdings bewegen sich hart an der Grenze zur Legalität: Kostenlos Briefe versenden, indem man eine ausgedachte Adresse auf den Brief schreibt, so dass er zur Absenderadresse zurückgeht – wo der eigentliche Empfänger sitzt. Oder etwa: Den ärmeren Nachbarn im drahtlosen Netzwerk mitsurfen lassen. Stiftet der Pfarrer hier zum Gesetzesbruch an?

„Das hat der Verlag alles geprüft. Es sind ein paar verrückte Tipps, wo man direkt sagen muss: Das kann man nicht machen. Das gehört aber auch dazu!“

Politisch geradezu überkorrekte, jedoch höchst aktuelle Tipps zum Stromsparen und Hinweise auf ökologische Banken gleichen das am Ende des Buches aber wieder aus. Viele Ratschläge sind nicht neu, einige kennt man aus der Zeitung, andere scheinen halblegal, wieder andere sind nur skizziert. Aber theorielastig und belehrend möchte das Buch ohnehin nicht daherkommen. Wichtig ist die kreative Stimmung, die sich vermittelt. In lockerem Ton macht es Lust darauf, im eigenen Umfeld anzupacken.

Das Buch ist bei Kiepenheuer und Witsch erschienen, hat 192 Seiten und kostet 7 Euro 95.

Rezensiert für die Bücherlese im SR2.