David Baddiels „Halb so wild“ erzählt mal komisch, mal ernst von einem sterbenden Großschriftsteller in New York. Ähnlichkeiten zu abgetretenen Größen nicht ausgeschlossen.

Der britische Autor David Baddiel hat sich seine Meriten eigentlich in anderen künstlerischen Sparten als der Schriftstellerei verdient: Er begann als Stand-Up-Comedian, wurde Gagschreiber für Radio und TV, konzipierte Serien. Als erster britischer Komiker füllte er gar das Wembleystadion, und als Mitautor der Fußballhymne „Three lions“ wurde er auch über Großbritannien hinaus bekannt. Mit hoher Gagdichte verfasste er auch schon Romane, die auf Deutsch vorliegen: „Was man so Liebe nennt“ oder „Ab ins Bett“ – dabei kann Baddiel auch durchaus ernste Themen behandeln, etwa in einem Buch über Internierungslager auf der Isle of White im Zweiten Weltkrieg. Sein neuester, vierter Roman liegt zwischen diesen Extremen.

Der Autor Eli Gold hat bedeutende Literaturpreise erhalten, aber auch mehrere Ehefrauen verschlissen. Nun liegt er 92jährig in einem New Yorker Krankenhaus und stirbt, seine weit verstreute und zerstrittene Familie kommt im Hospital zusammen. Erkennbar hat diese Figur die Behaartheit und Sexbesessenheit von Philip Roth und das gesammelte Ego von Arthur Koestler, Arthur Miller oder Saul Bellow. Besonders der Tod des letzteren inspirierte David Baddiel zu diesem Roman:

„Ich wollte ein Buch schreiben über diese aussterbende Art der großen Männer. Männer, die kulturell tonangebend sind und denen stets vergeben wurde, wenn sie so viele Leben zerstörten, wie sie wollten. Ich vertrete hier keinen moralischen Standpunkt. Ich will das nur verstehen. Es gab quasi einen Kult, bei dem Männlichkeit und Größe mit destruktiver Sexualität einhergingen. Das hat sich mittlerweile geändert.

Ironischerweise will Philip Roth bei Eli Gold vorbeischauen, ebenso Bill Clinton. Vor der Tür stehen Bodyguards und Myriaden von TV-Kameras. David Baddiel hat seine Gaglust hier auf feine Ironie reduziert, wenn er die Rolle des medial verwursteten Schriftstellers persifliert.

„Über sterbende berühmte Schriftsteller wird im Fernsehen gesprochen wie über Sportler, Popstars oder Politiker. Schriftsteller sollten doch eigentlich abseits von Gesellschaft und Ruhm stehen. Das ist absurd, unpassend und komisch. Ein Autor schreibt doch die meiste Zeit allein und steht nicht konstant im Scheinwerferlicht. Aber Eli war ein großer Narzisst, er hätte wohl selbst im Koma gewollt, dass viele Leute vor dem Fernseher hängen, wenn er stirbt.“

Eigentlich geht es um Elis Entourage, aus deren Perspektive der Roman erzählt ist. Fünf Ehefrauen, vier Kinder und deren Familien werfen reichlich Stoff ab: Die achtjährige Tochter Colette, die glaubt, der Autor liege im „Komma“, nicht im Koma; Sohn Harvey, Mitte 40, unter dem Übervater, unter Depressionen und Sexualneurosen leidend, zählt seine acht skurrilen Therapeuten auf. Damit das Buch kein diskursives Figurenkabinett wird, taucht als Thrillerelement ein Mormone auf, dessen Schwester einst einen gemeinsamen Selbstmord mit Eli versuchte. Sie starb, Eli überlebte – in den Augen des Mormonen war das Mord. Schon fliegt dieser Ultrareligiöse mit einer Pistole im Gepäck von Utah nach New York.

Ich wollte hier einen anderen Typus des amerikanischen Mannes zeichnen. Eli ist der niveauvolle, großstädtische Intellektuelle; der Mormone ist der Cowboy, religiöse, unartikulierte Mann vom Acker. Ich wollte, dass diese zwei amerikanischen Archetypen zusammenstoßen. Ich wollte aber auch die Gemeinsamkeiten aufzeigen: Der Mormone hat, wie Eli, mehrere Frauen, wenn auch auf andere Art…

Religiös, aber internetpornosüchtig, verfehlt diese Figur – wie viele im Roman – grandios ihren Lebensentwurf. Und an Reflexion mangelt es dem Mormonen auch, sonst sähe er, wie sinnlos Selbstjustiz an einem Sterbenden wirkt. Alle Figuren haben gerade wegen ihrer Widersprüche und ihres eigenen Tons das Interesse des Lesers.

(für NDR Kultur)