Es wird dieser Tage oft aufgezählt, wer alles eine Erkältung bekommt, wenn die US-Finanzmärkte husten. Was das Kulturleben im Big Apple angeht, so dürfte man eine schwere Bronchitis erwarten, die der Patient auch noch selbst auszukurieren hat. Lehman Brothers gab 2007 rund 39 Millionen Dollar für die Kunst aus, einen Großteil davon in New York. Andere Sponsorenfirmen gehen ebenfalls pleite oder werden geschluckt. Kreditfinanzierte Museumsbauten reißen bei steigenden Zinsen Löcher in die Budgets, städtische Zuwendungen werden gekürzt. Nun ist unsicher, wie es in der Kulturmetropole weitergeht. Klar ist nur: Die Angst geht um, wie Pascal Fischer erfuhr.

Normalerweise erwartet man auf dem Computerbildschirm eines Vizemuseumsdirektors keinen Ticker für die Aktienkurse. Aber was ist in diesen Tagen schon normal? Todd Galitz blickt am Montag verschreckt auf die Kurseinbrüche nach dem gescheiterten Rettungsplan für die Finanzindustrie. Seine Asia-Society zeigt gerade eine große Ausstellung zur Kunst unter Mao. Die Investmentbank Lehman Brothers war einer, wenngleich auch nicht der größte Sponsor der Einrichtung. 7 Millionen Dollar erhielt die Asia Society in der Vergangenheit von Firmen.

„Wir haben tägliche Budget-Meetings, wir gehen jeden Einzelposten durch, um so viele finanzielle Risiken wie möglich aus dem Budget zu nehmen. Alles muss geprüft werden. In den nächsten Wochen stehen harte Entscheidungen an.“

Bei vielen Kultureinrichtungen liegen die Nerven blank. Das Jewish Museum etwa hat seine neue Ausstellung zu Schriftrollen vom Toten Meer von AIG sponsorn lassen. Die Firma wurde kürzlich staatlich gerettet und dürfte keine üppigen Projekte mehr fördern. Für eine Einschätzung sei es zu früh, sagt die Museumssprecherin, und legt sofort frostig auf. Das Museum of Modern Art und das Guggenheim haben große Ausstellungen mit Geldern von Lehman Brothers finanziert, beide Häuser wollen nun keine Kommentare abgeben. Im Whitney Museum of American Art fragt die Presseabteilung verschüchtert nach, ob die anderen Institutionen denn Auskunft gegeben hätten? Selten erhält man derzeit optimistische Kommentare von den großen Kulturstätten in New York, wie von Peter Gelb, Generaldirektor der Metropolitan Opera: Man sei voller Hoffnung, dass die loyalen Sponsoren auch in Krisenzeiten aushelfen würden. Im neueröffneten Museum of Arts and Design hat man schon die Eröffnungszeremoniemeinst du Vernissagen? frugaler gestaltet, erzählt Vizedirektor Ben Hartley.

„In der Kunstwelt in den USA hat man nie seine Dollars sofort zusammen. Man schaut ständig nach Sponsorenfirmen. Auch unser Museum hat noch nicht das Geld für das kommende Jahr gesammelt, nur 88 von 92 Millionen sind sicher. Aber es laufen vielversprechende Gespräche.“

Andere verweigern komplett die Auskunft, wie das Metropolitan Museum of Art, die Carnegie Hall oder das Lincoln Center, jene Mega-Kultur-Institution, in der unter anderem ein hauseigenes Theater, die Met, das New York City Ballet, die New York Philharmonic beheimatet sind. Die Finanzierung der anstehenden 1,4 Milliarden Dollar teuren Renovierung wackelt. Sogar Nationalsymbole geraten in Gefahr: 5 Millionen Dollar über fünf Jahre hatte Lehman Brothers dem National September 11th Memorial zugesagt. Die Presseabteilung ist tagelang nicht zu erreichen.

Trotzdem muss der Bankrott ganzer Firmen nicht zwangsläufig das Aus für Museen und Ausstellungen bedeuten. Schon jetzt, sagt zum Beispiel Ben Hartley vom Museum of Arts and Design, kämen 80 Prozent der Spenden von Privatpersonen. Bislang ist das allerdings eher ein Einzelfall in der Museumslandschaft.

Diese Privatspenden sind viel schwieriger einzuschätzen. Die sind bei den meisten Institutionen sehr gewichtig. Einerseits spendet so mancher am Jahresende, um seine Steuerlast zu drücken. Andererseits spielt hier die Psychologie mit hinein: Im dritten und vierten Quartal sehen diese Personen den Wert ihrer Aktienpakete und fühlten sich vielleicht plötzlich ärmer als vor sechs Monaten.

Bei so viel Unsicherheit im privaten Sektor könnte man meinen, nun werde selbst in den USA der Ruf nach dem Staat laut. Auch Ben Hartley vom Museum of Arts and Design hat da gewisse Sympathien entdeckt, zumal er lange in Europa gearbeitet hat:

„Natürlich hätten wir gerne 100prozentige Zuwendungen vom Staat, sagenhaft ist das in Europa zum Teil. Traditionell gibt die öffentliche Hand in den USA nicht viel, vor allem nicht in Zeiten, in denen große Finanzpakete die Wallstreet retten sollen. Das ist einfach das Modell hierzulande.“

Bei dem es wohl gerade jetzt bleiben wird. Die Jobverluste in New York bescheren der Stadt sinkende Steuereinkünfte, daher hat Bürgermeister Michael Bloomberg in seiner vergangenen sonntäglichen Radioansprache schon Einschnitte angekündigt: 2,5 Prozent im laufenden, 5 Prozent im kommenden Geschäftsjahr. 152 Millionen Dollar stehen für die Kultur nun noch zur Verfügung.  Kulturkommissarin Kate Levin konnte auf Anfrage des Deutschlandfunk nur noch versichern, man werde die Kultur weiter fördern; sie hofft auf das besondere Geschick der New Yorker Institutionen. Todd Galitz:

„Einige Kulturstätten bekommen einen großen Teil ihres Geldes aus öffentlicher Hand, die haben nun Probleme. Wir dagegen hängen nicht so sehr von öffentlichen Geldern ab.“ 

Dass der Staat zwar denen beispringt, die die Krise verursacht haben, aber die Kulturinstitutionen sich selbst überlässt, klingt nur für europäische Ohren sarkastisch.

Im Museum of Arts and Design und bei der Asia Society muss man es pragmatisch sehen: Weniger Sponsoren, das bedeutet nur: mehr Fundraising, erhöhte Anstrengung. Gewissermaßen des Teufels Austreibung durch den Beelzebub, möchte man in Europa fast sagen. Ben Hartley meint:

„Fast nie gehen New Yorker Museen pleite. Sie sind anpassungsfähig, man wird nun viele Alternativstrategien sehen: Tageweise geschlossene Galerien, Partnerschaften zwischen Museen oder einfach verlängerte Ausstellungen. Das Sponsoring wird trotzdem überleben. Es ist eine langlebige Art der Kulturfinanzierung. Schließlich stammen gerade einige der größten New Yorker Institutionen aus privater Hand: das Guggenheim Museum, die Carnegie Hall und das Whitney Museum beispielsweise.“