Das seltsame Vergnügen, noch im Amt in einem Film porträtiert zu werden, hatten schon die US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt und John F. Kennedy. Oliver Stone wollte es nun auch George W. Bush bereiten, wohl wiederum sehr zum Vergnügen des Publikums, denn der Film war als Satire angekündigt. Ist er das tatsächlich? Stone beschwichtigte früh: Ein faires, wahrhaftiges und kein bösartiges Portrait von Bush wolle er, eine Charakterstudie, deshalb würde die linke Zuschauerschaft wohl eher enttäuscht werden. Weder die 15 Prozent Bushhasser, noch die 20 Prozent Bushliebhaber seien sein Publikum, sondern die 60 Prozent in der Mitte. Das erstaunt, nimmt man Stone doch eher als linken Filmemacher wahr. Hat Stone also ein Porträt einer dunklen, zerrissenen Seele vorgelegt, wie damals in seinem Film zu Richard Nixon? Eher einen leisen Film mit Ausbrüchen zur Comedy, meint Pascal Fischer, der den Film in New York gesehen hat.

Wie wurde ein trinkender Rumtreiber zum mächtigsten Mann der Welt? So lautet Oliver Stones Kernfrage in W. Die erzählte Gegenwart bilden die Sitzungen der Regierungsspitze, in denen man über den Irakkrieg entscheidet. Wir sehen Bush als naives Opfer einer Machtclique in Washington, allen voran der diabolische Vizepräsident Cheney, der Bush beim Mittagssandwich die Erlaubnis zur Folter durchwinken lassen will.

Bush: „What do you want from me? I already opened that Guantanamera!“
Cheney: „Guantanamo!“
Bush: „Yeah, you won’t be hearing from those folks for a long time…“

Bushs dümmlicher Kommentar: Das erinnere ihn an seine Aufnahmeprüfungen bei der Studentenvereinigung. Wir sehen Strategiesitzungen, in denen Cheney unverhohlen von imperialer Macht spricht, was Bush eher als Krieg von Gut und Böse begreift. Von Beginn an ist der Präsidentschaftsberater Karl Rove dabei, der Bush einschärft, vor jeder Antwort erst ihn, Rove zu fragen.

Rove: „Anything about the issues – you come to me first, I’m gonna tell you what to say!“
Bush: „Whoa, you’re not gonna tell me what to say, Karl?! I’m gonna tell you what I want, ‚cause you’re the word man. This campaign starts and ends with me and what I think.“
Rove: „Got it, W. I’m just a little fairy, putting down a little magic dust for you.“

Die meisten Szenen sind Rückblenden in Bushs Jugend und seinen langen Weg ins Präsidentenamt. Vor allem hier glänzt Hauptdarsteller Josh Brolin, der sein Kinn gekonnt hervorreckt und die naiven, spöttischen und bisweilen obszönen Bush-Sprüche hervorstößt.

Bush: „Damn it! Fool me once, shame on you! Fool me twice, ehhh it means you can’t get fooled again!“

Stone begreift Bush als vaterkomplexgeplagten Sohn, der von seinem Vater nach Harvard, in die Texas National Guards, ins Ölgeschäft gelotst wird – und  scheitert. Bush senior rügt seinen Sohn, er bringe nichts zustande, er sei kein Hallodri wie die Kennedys, sondern ein Bush!

Bush senior: „What do you think you are? A Kennedy? You’re a Bush! Act like one!“

Nicht er, sondern sein Bruder Jeb habe das Zeug zum Präsidenten. In einer Überkompensierung will W. die Niederlage seines Vaters im Irak rächen. Vor allem, weil der Senior einst die historische Chance vertan hat, Saddam zu entmachten. Hier will sich der Junior abgrenzen: Er sei nicht wie sein zaudernder Vater, sondern wie der tatkräftige Reagan, führt er einmal aus.

Die US-Kritik reagierte gespalten auf den Film. Billigste Freudsche Theorie trotz Shakespeare-Thematik, grober Humor, urteilt der Boston Globe, ähnlich wie viele andere Zeitungen.

Die meisten loben Josh Brolins Leistung als Bush, wenngleich er an das Original nicht herankomme, weil uns das zu präsent sei, meint etwa die New York Times. Begeistert zeigt sich die Kritik vom bösen Cheney, vom Übervater Bush senior, und vom zweifelnden Powell, während Condoleeza Rice eher an Comedyshows erinnere, meint der Boston Globe.

Rice: „Good, Saddam is running from palace to palace, trying to find his passport…“

Zu viel Vorgeschichte, zu viel Aufwärmphase, zu wenig Kernschmelze, sagt die New York Times, während die Washington Post sogar schimpft: uneinheitlich, ein Mischmasch an erzählerischen Prioritäten und ästhetischen Mitteln. Schließlich wechseln sich zum Teil Sketche, Traumsequenzen, Mediensatire rasant ab, auch echte Bilder der Bombardierungen sehen wir, unterlegt mit texanischer Marschmusik.

MUSIK: Yellow Rose of Texas

Bush: „I am giving Saddam and his sons 48 hours to leave Iraq, ok?“

Stone arbeite zu pflichtschuldig die altbekannten sound bites ab, moniert die Washington Post, von der verschluckten Brezel bis zu den peinlichen Versprechern wie „Is our children learning“. Neu seien allenfalls Petitessen, zum Beispiel, dass Bushs Lieblingsmusical Cats sein soll, lästert das Slate-Magazin. Schließlich sei ein scheidender Präsident ja auch ein einfaches Spottobjekt. Alles armselig getimet, urteilt der New Yorker. Der Boston Globe findet zwar, dass alles funktioniert, aber man merke zeitweise, dass Stone sich über seine Gefühle zu Bush noch klarwerden müsse.  Stone sei im Film nicht so hart gegenüber Bush wie im richtigen Leben, weiß die New York Times.

Noch unbekannter dürften dem deutschen Zuschauer einige dieser Anekdoten sein: Wie aus dem Nichts taucht auch Bushs evangelikaler Gebetskreis auf. Langsame Klaviermusik und Nahaufnahmen sollen uns hier für den gebrochenen Bekehrten einnehmen, genauso wie bei einer Pressekonferenz, auf der Bush wie ein reuiger Sünder Fehler eingesteht.

Bush: „I hope, ehh, I don’t wanna sound like I have made no mistakes. I am confident I have.“

Dabei hat Bush – das zeigt der Film doch auch! – sein Image als Cowboy und Evangelikaler bewusst für die Gourverneurs-Wahlen in Texas und die US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen kreiert.

Als W. zum ersten Mal in Texas eine Wahl verliert, schwört er sich, niemals mehr unchristlich und volksfern zu erscheinen. Als sein Vater zugunsten von Clinton abgewählt wird, obwohl Bush senior vom Krieg in die zweite Amtszeit hätte getragen werden können – da lernt der Junior seine Lektion.

Leider betont der Film das zu wenig. Es fehle insgesamt Bushs Gerissenheit, moniert der New Yorker zu Recht, und die Washington Post findet das Bush-Cheney-Porträt von Naivling und Manipulator viel zu simpel.

Warum dieser überhetzte Film jetzt, fragt die Washington Post: Offenbar sei Stone sonst kein anderes Projekt eingefallen. Entweder 15 Jahre zu früh, oder 2 Jahre zu spät, meint der Boston Globe. Die meisten schließen daraus, dass weder die Linke, noch die Rechte ihre Freude haben werden. Man solle eben kein saftiges Fleisch, keine Mischung aus „JFK“ und „Natural Born Killers“ erwarten, verkündet die LA Times.

Man merkt der US-.Presse an, dass sie die verfilmten Bush-Anekdoten – anders als vielleicht die deutschen Kinozuschauer – auswendig kennt. Joggingzusammenbruch gleich Erweckungserlebnis – offenbar hat sich die US-Öffentlichkeit an Bushs offensichtlich lächerliche und durchschaubare Story gewöhnt. Man wünschte sich, die Presse sei mit dem Präsidenten in den vergangenen acht Jahren so offen umgegangen, wie mit Oliver Stone.

Die Individualpsychologie verdrängt in seinem Film unweigerlich die Weltgeschichte und bushgemachte Katastrophen. Oliver Stone hat seine Chance auf eine beißende Satire leider nicht genutzt.

Der Präsident selbst werde den Film wohl ignorieren, ließ das Weiße Haus übrigens verlauten: Stone sei als Historiker so präzise, wie Gilligan als Seefahrer…

(für Kultur heute im Deutschlandfunk)