Smartphone-Apps mit ‚Flirtradar‘, ‚Spotted‘-Seiten und der elektronische Ghostwriter…auf dem Datingmarkt tut sich Einiges.

In den Anfangszeiten des Internets haftete den Datingportalen etwas Anrüchiges an: Menschen, die dort nach der Liebe des Lebens suchten, galten als Stubenhocker, als welche, die etwas zu verbergen hätten. Das world wide web galt als Resterampe für verschüchterte Überbleibsel des Heiratsmarkts. Mittlerweile ist das Internetdating in der Mitte der Gesellschaft angekommen – und in seiner klassischen Form, also per Online-Datenbank, fast schon wieder überholt! Denn neue Technologien verschalten das Netz direkt mit unserer Realität und holen das Dating vom Schreibtisch zurück in die Welt.  Zum Beispiel via ‚Spotted‘-Seiten:

Der 22jährige Medizinstudent Alex saß täglich in der Heidelberger Unibibliothek und lernte immer nachmittags um vier, nur wegen der brünetten Schönheit, die dann gegenüber am Tisch saß und auffällig oft aus ihren Biologiebüchern hochschaute. Alex, zwar sportlich, mit brasilianischen Wurzeln, immer ein breites Grinsen auf den Lippen, traute sich nicht, sie anzusprechen; in der Bibliothek herrschte ohnehin Redeverbot. Schließlich hinterließ er – unter seinem Vornamen – eine Nachricht beim Portal bibflirt.de. Er beschrieb sich und die Studentin und bat um ein Date.

„Da fallen die Hemmungen: Der klassische Korb, den man bekommen kann, der ist eigentlich weg. Wenn man nichts zurückbekommt …das ist nicht schmerzhaft.“

Aber Julia hatte die Nachricht gelesen! Auch sie hätte Alex nie angesprochen.

„Bibflirt in Heidelberg ist gut bekannt, und vorher habe ich immer wieder dort geschaut, was da so geschrieben wird. Dann habe ich die Nachricht entdeckt, die genau auf mich gepasst hat.“

Sie antwortete. Das Portal verschickt zunächst nur anonyme Nachrichten, die beiden tauschten schließlich ihre Emailadressen aus und verabredeten sich auf einen Kaffee und sehen sich nun regelmäßig.

„Wir kommen bundesweit jetzt auf 100 bis 150 Flirtbotschaften pro Tag!“

..sagt Nik Myftari, einer der Gründer von bibflirt. Sechs feste Mitarbeiter und fünf Praktikanten arbeiten seit Januar in  zwei kleinen Büroräumen in Heidelberg bis zu 16 Stunden täglich daran, die Seite zu verbessern und Sexbotschaften oder Beleidigungen herauszufiltern. Zunächst gab die Seite als mögliche Orte nur Bibliotheken vor, erzählt Nik Myftari:

„Mittlerweile kann man auch eine Flirtbotschaft hinterlassen, wenn man jemanden im Café gesehen hat, in Bus und Bahn, im Club oder auf einer Party, wir haben das auf alle Orte erweitert.“

Ein ganzes Netz von Facebook-Seiten hat das Team parallel eingerichtet und verlinkt: „Spotted: Uni Münster“ oder „Spotted: Uni Bayreuth“ heißen die Seiten. Was in etwa bedeutet: Dort hat man jemanden entdeckt. „Spotted: On Dublin bus“ hießen die Originale aus dem Angelsächsischen zum Beispiel. Allerdings weiß man über die „Entdeckten“ zunächst kaum etwas. Das ist beim Mobile Dating anders:

„Mercedes ist aus Salzgitter, aber gerade in Dresden unterwegs!“

Alexander Friede demonstriert in Dresden seine App „Lovoo“: Auf seinem Smartphone-Bildschirm leuchten Punkte auf. Das Prinzip: Man ortet mit GPS potentielle Partner in der Umgebung, die die App ebenfalls nutzen. Jeder lädt ein Foto hoch – die braunhaarige Mercedes lächelt uns aus der App zu, ist 22 Jahre alt und ca. 150 Meter entfernt – und füllt ein Profil aus, zu Größe, Figur, Haarfarbe, Hobbys, Musikgeschmack, Vorstellungen, wie ein Treffen aussehen sollte…

„Sie will das erste Date im Cafe!“

Es gibt viele solcher Apps: sbobme, badoo heißen sie; grindr oder scruff wenden sich an Homosexuelle, andere, wie glancee oder sonar sind eher für Freizeitkontakte da. In jedem Fall senken sie die Hürden beim spontanen Erstkontakt, meist von Mann und Frau:

„Wenn man vorher schonmal gucken kann, startet das Gespräch viel schneller mit ihr, als wenn ich jetzt einfach mal auf ‚Kaltaquise‘ gehe und sie einfach anbaggere, was viele Frauen ja nicht mögen.“

Exakt zu orten ist bei lovoo niemand, sagt Alexander Friede, es solle ja keine Stalking-App sein. Man muss von sich aus Kontakt aufnehmen, Nachrichten verschicken und dann einen Treffpunkt ausmachen. Wem das alles langsam zu kompliziert wird, der sollte die Partnersuche vielleicht outsourcen: an einen Ghostwriter wie Ingo Möbius von suredate.

„Ich war schon der 26jährige Unternehmer, ich war schon eine 58jährige Frau, ich war schon Doktor, Psychologin…“

Die Münchener Agentur bietet als erste in Deutschland Ghostwriting für Partnerbörsen an. Im Namen des Kunden übernimmt Möbius alles, was bis zum Date führt: Er wählt eine passende Partnerbörse aus, erstellt ein Profil anhand eines vorher ausgefüllten Fragebogens, macht Fotos, chattet und mailt mit potentiellen Partnerinnen und erstellt Chatprotokolle – als Spickzettel für das echte Treffen. Kunden sind Männer und Frauen.

„Manche arbeiten zu viel, bei manchen liegen die Talente woanders, als beim Schreiben!“

Insbesondere Männer brauchen interessante Betreffzeilen in Emails, damit sie nicht in den Nachrichtenfluten der Konkurrenz untergehen, die eine Frau oft beim Öffnen ihres Postfachs vorfindet, sobald sie einmal bei einer Partnerbörse angemeldet ist. Häufig erschrickt frau auch über Sexanfragen, weiß Ingo Möbius:

„Diese ganzen Dinge filtern wir raus, so dass die Frau nur noch seriöse Anfragen kriegt und nur noch von den Männern, mit denen sie sich auch gerne treffen würde. Für die Männer wählen wir den kreativen Part, für die Frauen bieten wir diese Filterfunktion an.“

Im Grunde, scherzt Möbius, herrsche hier noch viktorianisches Zeitalter: Der Mann wird aktiv, die Frau wartet und wählt aus. Für bis zu 990 Euro im Monat übernimmt Möbius die jeweilige Rolle und garantiert 5 Dates, ansonsten gibt’s das Geld zurück. Natürlich muss ein Ghostwriter oft vage bleiben und Sachen formulieren wie:

„Das würde ich Dir gerne bei einem Glas Wein erklären… oder ich umschreibe das. Natürlich weiß man nicht alles … von daher: Mut zur Lücke.“

Wenn man seine Steuererklärung aus der Hand gibt, warum nicht die Date-Vorbereitung? 30 Kunden sehen das zur Zeit auch so. Das habe eine jahrhundertelange Tradition, erinnert Möbius: Auch früher ließen Adelige Liebesbriefe von Dichtern schreiben. Aber:

„Es funktioniert nie so, dass sich jemand ins Geschriebene verliebt. Ich sage immer: So schnell wie möglich treffen, um die Luftschlösser zu vermeiden. Wenn es zum Date kommt, merkt man innerhalb von Sekunden, ob es stimmt oder nicht.“

So vielgestaltig und aufgerüstet die Anbahnung also auch heute ist: Am Ende entscheidet also doch die älteste „Technik“: das persönliche Gespräch!

(für die SWR2-Matinee)