Immer mal wieder sind digitale Tagebücher auch gedruckt worden. Das Internet war dabei eher eine Motivation für den Autor, dranzubleiben, schließlich überwachte die Leserschaft seine Produktion per Web. Nun aber zeichnet sich ein neuer Trend ab: Blogger lassen Inhalte zusammentragen und sahnen am Ende Buchverträge ab. Sie setzen auf das „Crowdsourcing“, also auf Fotos und Textbeiträge der Massen, sammeln diese Inhalte auf einer kostenlosen Blogplattform wie seit neuestem „Tumblr“, lassen alles drucken, natürlich nach Abschluss eines saftigen Buchvertrags. Das ist billig, schnell und effizient, für die Blogbesitzer genauso wie für die Verlage. In der Rezession werden Bücher aus solchen Sammelblogs besonders gerne produziert, hat Pascal Fischer in New York festgestellt, dem Zentrum des angelsächsischen Verlagswesens.

„Are you darth vader?…“

Zwei ratlos blickende Hunde sind als Prinzessin Leia und Darth Vader aus Star Wars verkleidet. Das präsentiert die Seite „Pets who want to kill themselves“, zu deutsch: Tiere, die sich töten wollen, wohl eher ironisch denn bemitleidend gemeint. Die seltsamen Bilder gibt es ab Dezember auch in Buchform zu kaufen.

Das Verlagswesen in den USA ist hungrig nach benutzergenerierten Inhalten, spätestens seit die skurrile Katzenseite „Icanhazcheezburger“ 13 Wochen lang auf der New York Times Bestsellerliste stand. Mehr als 100.000 Exemplare verkauften sich davon. Die verantwortliche Literaturagentin Kate McKean hat schon ein Nachfolgebuch verkauft.

„Das Blog ist sehr populär, also gibt es eine Leserschaft für das Buch. Die Autoren können auch auf ihrem Blog Werbung für das Buch machen und schreiben: Kauft mein Buch! Es ist ein Krisenphänomen. Man versucht halt, Geld aus einem Projekt herauszuholen!“

Und wie! Angeblich hat Jessica Amason zum Beispiel einen Buchvertrag für einen sechsstelligen Betrag unterzeichnet, Einzelheiten verschweigt sie. Ihr Blog heißt „This is why you’re fat“ und zeigt Fotos von ekelhaft fettigen Mahlzeiten: Schinken-Schokoladenkuchen oder eine Pizza, belegt mit Pommes Frites und Hot Dogs.

„Wir haben von Anfang an Mediendaten erhoben. Am ersten Tag schon hatten wir über eine Million Besucher, von da an ging es so weiter. Und schon in der ersten Woche haben sich zehn Agenten und fünf Verlage bei uns gemeldet. Wir vereinbarten Treffen und entschieden uns schließlich für einen Verlag.“

Die Werbung für so eine Seite lehnt sich an virale Marketingstrategien an. Ein paar Mails an Freunde schicken, ein bisschen elektronisches Gezwitscher auf Seiten wie „Twitter“ oder „Buzzfeed“, und den Rest erledigen im Glücksfall die sozialen Netzwerke des Web 2.0. Nur die Rechtefrage gilt es zu bedenken, warnt Kate McKean.

„Im Grunde benötigt man von allen, die Inhalte eingereicht haben, eine Erlaubnis zur Veröffentlichung. Das kostet viel Zeit. Es ist der aufwändigste Schritt in der Buchproduktion.“

Jessica Amason hatte es da einfacher. Auf ihrer Seite musste man von Anfang an zustimmen, dass man alle Rechte an den eingeschickten Fotos abgab. Ist das nicht digitaler Raubtierkapitalismus? Die einen schaufeln die Inhalte zusammen, und der Blogbesitzer schaut zu und streicht am Ende die Gewinne ein? Jessica Amason winkt ab: Der Blogbesitzer müsse die chaotischen Einsendungen ordnen, die brauchbaren Inhalte herausfischen und bearbeiten, so dass das Blog wiedererkennbar sei.

„Einige der Leute, die uns Fotos geschickt haben, wollen nun auch eigene Bücher herausbringen. Normalerweise wären ihre Fotos auf der eigenen Facebook-Seite versauert. Nun bringen wir diese Leute in die Verlagswelt. Sie können bei Verhandlungen über eigene Bücher sagen: Von mir gibt es schon was im Internet und in einem anderen Buch!“

Den Ideen sind keine Grenzen gesetzt. Das „Failblog“ beispielsweise zeigt Schreibfehler auf öffentlichen Schildern oder peinliche Pannen. Die Seite „Postcards from yo‘ momma“ erheitert mit Briefen, Emails oder sogar SMSen zwischen Müttern und Töchtern. Allerdings droht gerade im Netz die Gefahr, dass die Leser längst die Lust verloren haben, bevor das Buch im Laden liegt, weiß Kate McKean.

„Die Produktzyklen im Verlagswesen sind natürlich unendlich langwierig. Man muss die Bücher schnell herausbringen. Aber ich versuche, eher langlebige Bücher herauszubringen. Ein Katzenbuch zum Beispiel wird immer etwas für Katzenliebhaber sein!“

Und damit auch Käufer erreichen, die die Internetseite vielleicht gar nicht kennen. Das Buch habe auch den Mehrwert, dass dort bislang unveröffentlichtes Material gedruckt werden könne.

Das könnte längst nicht das Ende des Trends sein. Sofern Inhalt, Design und Käuferschaft stimmen, könnte sogar das Wortgeschnipsel von Twitter zwischen zwei Buchdeckel gepresst werden, prophezeit Agentin Kate McKean.

Aber mal ehrlich: Vom Blog zum Buch –  ist das nicht ein totaler Retro-Trend? Nein, meint Bloggerin Jessica Amason.

„Es liegt eine große Ironie in allem: Die Printmedien sterben, und dann will jeder einen Buchvertrag. Ich glaube, das Gedruckte legitimiert alles stärker. Letzten Endes bleibt es fantastisch, seinen Namen gedruckt zu sehen!“

Für Corso im Deutschlandfunk.