Bloß das Geld vorm Finanzamt fernhalten – dabei hilft seit Jahrzehnten „Der kleine Konz“, eines der erfolgreichsten Sachbücher der BRD. Autor ist Franz Konz, ein Millionär jenseits der 80. Seine Einlassungen zu ganz legalen Steuertricks sind ganz große Poesie.
Dieses Werk ist eine würdige Fortsetzung von Robin Hood und Michael Kohlhaas. Eine Heldengeschichte vom Kampf gegen die Hydra namens Finanzamt, gegen die nur Vorwitzigkeit hilft. Und die bildet den Grundton.
„Sollten Sie die öffentliche Hand vermissen? Ich kann Ihnen sagen, wo sie ist: In Ihrer Tasche!“
Franz Konz will nicht weniger abbilden als das bundesdeutsche Arbeitsleben in seiner enyklopädischen Gesamtheit. Es kommen vor:
„die Müllabfuhr“ – „ein Jagdhund“ – „Wandschmuck“ – „Wappenkunde“ – „Ungezieferbefall“ – „Mundgeruch“ – „Eisenmangel“ – „Fettabsaugung“ – „die Delphintherapie“
Vorbei die Zeit, in der die Literatur uns langweilte: mit Krieg und Frieden, Sinn und Sinnlichkeit und anderem Unsinn. Als sie uns vorgaukelte, das moderne Diskursfeuerwerk erschöpfend zu behandeln, nur weil es mal um Walfang, mal um Raketentechnik ging, der spannendste Diskurs aber fehlte: das Steuerrecht! Wohlan! Hier ist seine würdige entrée.
Glücklicherweise hat der Autor viel gelernt aus den Fehlern ähnlich einflussreicher Werke, wie zum Beispiel dem Telefonbuch. Anders als dort überfallen einen hier nicht Unmengen von Figuren. Die Anzahl der Schauplätze ist zwar ähnlich groß…
„das häusliche Arbeitszimmer“ – „das Vereinslokal“ – „Ihr Wohnmobil“ – „ein Pferdehänger“ – „Ihre Yacht“ – „der Whirlpool“ – „der Bundesfinanzhof“
…aber im Vergleich zum Telefonbuch gibt es hier auch Handlung. In einer dichterischen Großanstrengung hat der Autor eine Grunderzählung destilliert, die er tausendfach variiert: Ein angewandter Steuertrick verhilft zum Sieg gegen das übermächtig geglaubte Finanzamt.
„Manchmal hilft schon ein kleiner Kniff!“ – „Wie Sie sehen, läppert sich ganz schnell ein schönes Sümmchen zusammen, wenn Sie etwas kreativ sind!“
Franz Konz, der schon beim Ladendiebstahl erwischt wurde und wegen Hilfe zur Steuerhinterziehung im Gefängnis saß, verficht eine Literatur der Grenzübertretung. Sie will Veränderung: vor allem der Steuerlast. Es ist eine engagierte Literatur, die sich ihre gesellschaftspolitische Fundierung im Vorwort gibt, wenn der Autor von Steuerflüchtlingen spricht.
„Die Frage muss erlaubt sein, ob nicht unsere hohen Steuersätze und das komplizierte deutsche Steuersystem den einen oder anderen Steuerzahler dazu bewegen, sich seinen Zahlungsverpflichtungen auf nicht ganz koschere Art zu entziehen.“
Der Zumutung eines totalitären Steuersystems ist mit dem Listenreichtum eines Odysseus zu begegnen – im Rahmen der Gesetze freilich. Das tut der Steuervermeider namens „Helmut Unverzagt“ gegenüber dem Finanzamt „Nimmstadt“ ordentlich. Allerdings scheint das „blutsaugende“ Finanzamt – blutleer, Herr Unverzagt – unscharf gezeichnet. Doch der Eindruck einer schnellen Schreibe täuscht. Dem Werk liegt eine durchdachte, zeitgemäße Ästhetik zugrunde. Helmut Unverzagt ist nämlich nur ein Statthalter für einen idealen Leser. Er hat zahlreiche Spiegelungen, die mögliche Variationen ausbuchstabieren:
„Die Heilerzieherin in Shiatsu-Kursen“ – „ein Bundeswehrpilot, der auf Linienflugzeug umschulte“ – „der Altenpflegehelfer, der sich zum Altenpfleger mauserte“
Die unendlichen Steuerspargelegenheiten, die zahllosen Berufe sollen unseren Möglichkeitssinn schärfen. Keine Frage, Herr Konz hat seinen Robert Musil gelesen. Und er weiß, dass das Werk erst durch den Leser entsteht. Darin liegt der größte formale Kunstgriff: Indem Konz den Leser direkt anspricht, macht er ihn zur Hauptfigur, setzt ihn quasi dem verblüfften Steuerinspektor gegenüber. Oft nimmt Konz unsere Empfindungen sogar vorweg!
„Ich sehe schon, wie Sie jetzt die Stirn runzeln: ‚Das ist ja kaum zu glauben!’“
Überhaupt beherrscht der Autor meisterhaft literarische Stilmittel. Es finden sich Embleme mit jubelnden, Geldscheine hochwerfenden Männchen und tiefen Weisheiten wie…
„Nutzen Sie den Firmen-PC ruhig mal privat!“
…packende Ausrufe und Fragen…
„Bei Studienreisen heißt es aufpassen!“ – „Darf das Finanzamt Sie vorladen?“
…eine rhythmisch ausgefeilte Sprache…
„Zu versteuerndes Einkommen: 37400 Euro. Einkommenssteuer, Grundtabelle: 8084 Euro.“
…die Aufzählung von drei Elementen, die „Trias“…
„Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit“
…und Zitate von Geistesgrößen stellen ein imposantes intertextuelles Gewebe her:
„Das zahllose Beamtenheer ist die wahre Peitsche Deutschlands“ Freiherr von Stein
Am Ende allerdings verabscheuen wir den idealen Leser oder auch Helmut Unverzagt doch: Er heiratet nur aus finanziellen Erwägungen und sieht in seinen Kindern abzugsfähige Posten. Ein egomaner Geizkragen! Hier ist in einer Figur verdichtet, wie asozial uns die Beschäftigung mit Steuern macht. Konzens letzter paradoxer Kunstgriff: Nach der Lektüre wird ein jeder der niederträchtigen Zahlenhuberei entsagen! Und sich dem einzig verbleibenden Vorbild aus dem Buch zuwenden: Dem Autor Franz Konz höchstselbst, der mithilfe von Rohkost den Krebs überwand.
„Im Alter von 75 Jahren wurde ich noch Vater eines kräftigen Sohnes. Mit 79 Jahren habe ich eine 34-jährige Lehrerin geheiratet, die in jeder Weise mit mir glücklich ist.“
Sehet, welch ein Mensch! Statt höherem Netto erblicken wir einen höheren Typus Staatsbürger. Der kleine Konz: ein großer Überwinder unseres kleinlichen, kapitalgeilen Ichs.
(für die SWR2 Matinee)